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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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macht hatte, und aus der dumpfigen Gaststube
war, verschwand auch schnell sein Unmuth wieder,
und das reizende Ideenspiel begann von neuem.

Er lebte auf die Weise gleichsam ein doppel¬
tes Leben, eins in der Einbildung und eins in
der Wirklichkeit. Das Wirkliche blieb schön und
harmonirte mit dem Eingebildeten, bis auf die
Gaststube, das Gelerm der Bauern, und die
Streu -- dieß aber wollte sich nicht recht dazu
reimen -- denn es war auf die unbegrenzte
Freiheit am Tage, eine zu große Beschränkung
am Abend; weil er doch nun bis zum andern
Morgen in keiner andern Umgebung seyn konnte,
als in dieser.

Freilich hatten die äußern Gegenstände einen
immerwährenden Einfluß auf die inneren Gedan¬
kenreihen; mit dem Horizonte erweiterten sich
auch gemeiniglich seine Vorstellungen, und an
die Aussicht in eine neue Gegend knüpfte sich
immer gern eine neue Aussicht in das Leben.

Einmal war er lange mühsam bergan gestie¬
gen, als auf einmal eine weite Ebene vor ihm
da lag, und er in der Ferne ein Städtchen, an
einem See erblickte -- dieser Anblick frischte auf

macht hatte, und aus der dumpfigen Gaſtſtube
war, verſchwand auch ſchnell ſein Unmuth wieder,
und das reizende Ideenſpiel begann von neuem.

Er lebte auf die Weiſe gleichſam ein doppel¬
tes Leben, eins in der Einbildung und eins in
der Wirklichkeit. Das Wirkliche blieb ſchoͤn und
harmonirte mit dem Eingebildeten, bis auf die
Gaſtſtube, das Gelerm der Bauern, und die
Streu — dieß aber wollte ſich nicht recht dazu
reimen — denn es war auf die unbegrenzte
Freiheit am Tage, eine zu große Beſchraͤnkung
am Abend; weil er doch nun bis zum andern
Morgen in keiner andern Umgebung ſeyn konnte,
als in dieſer.

Freilich hatten die aͤußern Gegenſtaͤnde einen
immerwaͤhrenden Einfluß auf die inneren Gedan¬
kenreihen; mit dem Horizonte erweiterten ſich
auch gemeiniglich ſeine Vorſtellungen, und an
die Ausſicht in eine neue Gegend knuͤpfte ſich
immer gern eine neue Ausſicht in das Leben.

Einmal war er lange muͤhſam bergan geſtie¬
gen, als auf einmal eine weite Ebene vor ihm
da lag, und er in der Ferne ein Staͤdtchen, an
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[12/0026] macht hatte, und aus der dumpfigen Gaſtſtube war, verſchwand auch ſchnell ſein Unmuth wieder, und das reizende Ideenſpiel begann von neuem. Er lebte auf die Weiſe gleichſam ein doppel¬ tes Leben, eins in der Einbildung und eins in der Wirklichkeit. Das Wirkliche blieb ſchoͤn und harmonirte mit dem Eingebildeten, bis auf die Gaſtſtube, das Gelerm der Bauern, und die Streu — dieß aber wollte ſich nicht recht dazu reimen — denn es war auf die unbegrenzte Freiheit am Tage, eine zu große Beſchraͤnkung am Abend; weil er doch nun bis zum andern Morgen in keiner andern Umgebung ſeyn konnte, als in dieſer. Freilich hatten die aͤußern Gegenſtaͤnde einen immerwaͤhrenden Einfluß auf die inneren Gedan¬ kenreihen; mit dem Horizonte erweiterten ſich auch gemeiniglich ſeine Vorſtellungen, und an die Ausſicht in eine neue Gegend knuͤpfte ſich immer gern eine neue Ausſicht in das Leben. Einmal war er lange muͤhſam bergan geſtie¬ gen, als auf einmal eine weite Ebene vor ihm da lag, und er in der Ferne ein Staͤdtchen, an einem See erblickte — dieſer Anblick friſchte auf

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/26>, abgerufen am 24.11.2024.