Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

merwährenden Schlafe, doch, die letzten Tage
ausgenommen, in einem beständigem Schlummer,
im Bette zubrachte. Hiezu kam nun freilich der
Umstand, daß er kein Holz hatte, um einzu¬
heizen: er hätte aber auch nur ein Wort sagen
dürfen, um dies Bedürfniß zu befriedigen, wenn
es ihm nicht gewissermaßen selbst lieb gewesen
wäre, den Mangel des Holzes als einen Be¬
weggrund zu dieser sonderbaren Lebensart vor¬
schützen zu können.

Reiser wurde in diesem Zustande auch von
seinen Freunden nicht gestört, weil er gegen diese
oft den Wunsch geäußert hatte, daß er nur ein¬
mal ein paar Wochen lang ganz einsam zu seyn
wünschte.

Nun hatte aber dieser Zustand eine sonderbare
Wirkung auf Reisern: die ersten acht Tage brach¬
te er in einer Art von gänzlicher Abspannung und
Gleichgültigkeit zu, wodurch er den Zustand,
den er vergeblich zu besingen gestrebt hatte, nun
gewissermaßen in sich selber darstellte. Er schien
aus dem Lethe getrunken zu haben, und kein
Fünckchen von Lebenslust mehr bei ihm übrig zu
seyn.

merwaͤhrenden Schlafe, doch, die letzten Tage
ausgenommen, in einem beſtaͤndigem Schlummer,
im Bette zubrachte. Hiezu kam nun freilich der
Umſtand, daß er kein Holz hatte, um einzu¬
heizen: er haͤtte aber auch nur ein Wort ſagen
duͤrfen, um dies Beduͤrfniß zu befriedigen, wenn
es ihm nicht gewiſſermaßen ſelbſt lieb geweſen
waͤre, den Mangel des Holzes als einen Be¬
weggrund zu dieſer ſonderbaren Lebensart vor¬
ſchuͤtzen zu koͤnnen.

Reiſer wurde in dieſem Zuſtande auch von
ſeinen Freunden nicht geſtoͤrt, weil er gegen dieſe
oft den Wunſch geaͤußert hatte, daß er nur ein¬
mal ein paar Wochen lang ganz einſam zu ſeyn
wuͤnſchte.

Nun hatte aber dieſer Zuſtand eine ſonderbare
Wirkung auf Reiſern: die erſten acht Tage brach¬
te er in einer Art von gaͤnzlicher Abſpannung und
Gleichguͤltigkeit zu, wodurch er den Zuſtand,
den er vergeblich zu beſingen geſtrebt hatte, nun
gewiſſermaßen in ſich ſelber darſtellte. Er ſchien
aus dem Lethe getrunken zu haben, und kein
Fuͤnckchen von Lebensluſt mehr bei ihm uͤbrig zu
ſeyn.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0201" n="187"/>
merwa&#x0364;hrenden Schlafe, doch, die letzten Tage<lb/>
ausgenommen, in einem be&#x017F;ta&#x0364;ndigem Schlummer,<lb/>
im Bette zubrachte. Hiezu kam nun freilich der<lb/>
Um&#x017F;tand, daß er kein Holz hatte, um einzu¬<lb/>
heizen: er ha&#x0364;tte aber auch nur ein Wort &#x017F;agen<lb/>
du&#x0364;rfen, um dies Bedu&#x0364;rfniß zu befriedigen, wenn<lb/>
es ihm nicht gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen &#x017F;elb&#x017F;t lieb gewe&#x017F;en<lb/>
wa&#x0364;re, den Mangel des Holzes als einen Be¬<lb/>
weggrund zu die&#x017F;er &#x017F;onderbaren Lebensart vor¬<lb/>
&#x017F;chu&#x0364;tzen zu ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
      <p>Rei&#x017F;er wurde in die&#x017F;em Zu&#x017F;tande auch von<lb/>
&#x017F;einen Freunden nicht ge&#x017F;to&#x0364;rt, weil er gegen die&#x017F;e<lb/>
oft den Wun&#x017F;ch gea&#x0364;ußert hatte, daß er nur ein¬<lb/>
mal ein paar Wochen lang ganz ein&#x017F;am zu &#x017F;eyn<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;chte.</p><lb/>
      <p>Nun hatte aber die&#x017F;er Zu&#x017F;tand eine &#x017F;onderbare<lb/>
Wirkung auf Rei&#x017F;ern: die er&#x017F;ten acht Tage brach¬<lb/>
te er in einer Art von ga&#x0364;nzlicher Ab&#x017F;pannung und<lb/>
Gleichgu&#x0364;ltigkeit zu, wodurch er den Zu&#x017F;tand,<lb/>
den er vergeblich zu be&#x017F;ingen ge&#x017F;trebt hatte, nun<lb/>
gewi&#x017F;&#x017F;ermaßen in &#x017F;ich &#x017F;elber dar&#x017F;tellte. Er &#x017F;chien<lb/>
aus dem Lethe getrunken zu haben, und kein<lb/>
Fu&#x0364;nckchen von Lebenslu&#x017F;t mehr bei ihm u&#x0364;brig zu<lb/>
&#x017F;eyn.</p><lb/>
    </body>
  </text>
</TEI>
[187/0201] merwaͤhrenden Schlafe, doch, die letzten Tage ausgenommen, in einem beſtaͤndigem Schlummer, im Bette zubrachte. Hiezu kam nun freilich der Umſtand, daß er kein Holz hatte, um einzu¬ heizen: er haͤtte aber auch nur ein Wort ſagen duͤrfen, um dies Beduͤrfniß zu befriedigen, wenn es ihm nicht gewiſſermaßen ſelbſt lieb geweſen waͤre, den Mangel des Holzes als einen Be¬ weggrund zu dieſer ſonderbaren Lebensart vor¬ ſchuͤtzen zu koͤnnen. Reiſer wurde in dieſem Zuſtande auch von ſeinen Freunden nicht geſtoͤrt, weil er gegen dieſe oft den Wunſch geaͤußert hatte, daß er nur ein¬ mal ein paar Wochen lang ganz einſam zu ſeyn wuͤnſchte. Nun hatte aber dieſer Zuſtand eine ſonderbare Wirkung auf Reiſern: die erſten acht Tage brach¬ te er in einer Art von gaͤnzlicher Abſpannung und Gleichguͤltigkeit zu, wodurch er den Zuſtand, den er vergeblich zu beſingen geſtrebt hatte, nun gewiſſermaßen in ſich ſelber darſtellte. Er ſchien aus dem Lethe getrunken zu haben, und kein Fuͤnckchen von Lebensluſt mehr bei ihm uͤbrig zu ſeyn.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/201
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/201>, abgerufen am 22.11.2024.