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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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der hineinzutragen, allein sie schwärzten sich, wie
auf Herkules Haupte die grünen Blätter seines
Pappelkranzes, da er sich, um den Cerberus
zu fangen, dem Hause des Pluto nahte. Alles
was er niederschreiben wollte, löste sich in Rauch
und Nebel auf, und das weiße Papier blieb
unbeschrieben.

Ueber diesen immer wiederholten vergeblichen
Anstrengungen eines falschen Dichtungstriebes,
erlag er endlich, und verfiel selbst in eine Art
von Lethargie und völligem Lebensüberdruß.

Er warf sich eines Abends mit den Kleidern
aufs Bette, und blieb die Nacht und den ganzen
folgenden Tag in einer Art von Schlafsucht lie¬
gen, aus der ihm erst am Abend des folgenden
Tages, wo es gerade Weihnachten war, ein Bote
von seinem Gönner dem Regierungsrath Sprin¬
ger weckte, dessen Frau an Reisern ein sehr gro¬
ßes Weihnachtsbrodt zum Geschenk übersandte.

Dieß war nun gerade, was ihn in seiner un¬
widerstehlichen Schlafsucht noch bestärkte. Er
schloß sich mit diesem großen Brodte ein, und lebte
vierzehn Tage davon, weil er nur wenig genoß,
indem er Tag und Nacht, wo nicht in einem im¬

der hineinzutragen, allein ſie ſchwaͤrzten ſich, wie
auf Herkules Haupte die gruͤnen Blaͤtter ſeines
Pappelkranzes, da er ſich, um den Cerberus
zu fangen, dem Hauſe des Pluto nahte. Alles
was er niederſchreiben wollte, loͤſte ſich in Rauch
und Nebel auf, und das weiße Papier blieb
unbeſchrieben.

Ueber dieſen immer wiederholten vergeblichen
Anſtrengungen eines falſchen Dichtungstriebes,
erlag er endlich, und verfiel ſelbſt in eine Art
von Lethargie und voͤlligem Lebensuͤberdruß.

Er warf ſich eines Abends mit den Kleidern
aufs Bette, und blieb die Nacht und den ganzen
folgenden Tag in einer Art von Schlafſucht lie¬
gen, aus der ihm erſt am Abend des folgenden
Tages, wo es gerade Weihnachten war, ein Bote
von ſeinem Goͤnner dem Regierungsrath Sprin¬
ger weckte, deſſen Frau an Reiſern ein ſehr gro¬
ßes Weihnachtsbrodt zum Geſchenk uͤberſandte.

Dieß war nun gerade, was ihn in ſeiner un¬
widerſtehlichen Schlafſucht noch beſtaͤrkte. Er
ſchloß ſich mit dieſem großen Brodte ein, und lebte
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[186/0200] der hineinzutragen, allein ſie ſchwaͤrzten ſich, wie auf Herkules Haupte die gruͤnen Blaͤtter ſeines Pappelkranzes, da er ſich, um den Cerberus zu fangen, dem Hauſe des Pluto nahte. Alles was er niederſchreiben wollte, loͤſte ſich in Rauch und Nebel auf, und das weiße Papier blieb unbeſchrieben. Ueber dieſen immer wiederholten vergeblichen Anſtrengungen eines falſchen Dichtungstriebes, erlag er endlich, und verfiel ſelbſt in eine Art von Lethargie und voͤlligem Lebensuͤberdruß. Er warf ſich eines Abends mit den Kleidern aufs Bette, und blieb die Nacht und den ganzen folgenden Tag in einer Art von Schlafſucht lie¬ gen, aus der ihm erſt am Abend des folgenden Tages, wo es gerade Weihnachten war, ein Bote von ſeinem Goͤnner dem Regierungsrath Sprin¬ ger weckte, deſſen Frau an Reiſern ein ſehr gro¬ ßes Weihnachtsbrodt zum Geſchenk uͤberſandte. Dieß war nun gerade, was ihn in ſeiner un¬ widerſtehlichen Schlafſucht noch beſtaͤrkte. Er ſchloß ſich mit dieſem großen Brodte ein, und lebte vierzehn Tage davon, weil er nur wenig genoß, indem er Tag und Nacht, wo nicht in einem im¬

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/200>, abgerufen am 27.04.2024.