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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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Und als dieß nun nur erst einmal geschehen
war, so schrieb er gleichsam triumphirend an
Philipp Reisern.

Jetzt, mein Lieber! bin ich in einer Lage,
welche ich mir nicht reitzender wünschen könnte.
Ich blicke aus meinem kleinen Fenster über die
weite Flur hinaus, sehe ganz in der Ferne eine
Reihe Bäumchen auf einem kleinen Hügel her¬
vorragen, und denke an Dich, mein Lieber u. s.
w. Ich habe die Schlüssel dieser einsamen Woh¬
nung, und bin hier Herr im Haus' und Garten,
u. s. w. Wenn ich denn manchmal so da sitze,
an dem kleinen Oefchen, und mir selbst meinen
Thee koche, u. s. w.

In dem Tone gieng es fort, und ward ein
stattlicher und langer Brief; und als nun Rei¬
ser es nicht über das Herz bringen konnte, die¬
sen schönen Brief nicht auch seinem kritischen
Freunde, dem Doktor Sauer zu zeigen: so
verdarb dieser vollends die Sache, indem er
ihm nach seiner gutmüthigen Höflichkeit das
Kompliment machte: wenn ihm Reisers Gegen¬
wart nicht selbst zu lieb wäre, so würde er wün¬

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Und als dieß nun nur erſt einmal geſchehen
war, ſo ſchrieb er gleichſam triumphirend an
Philipp Reiſern.

Jetzt, mein Lieber! bin ich in einer Lage,
welche ich mir nicht reitzender wuͤnſchen koͤnnte.
Ich blicke aus meinem kleinen Fenſter uͤber die
weite Flur hinaus, ſehe ganz in der Ferne eine
Reihe Baͤumchen auf einem kleinen Huͤgel her¬
vorragen, und denke an Dich, mein Lieber u. ſ.
w. Ich habe die Schluͤſſel dieſer einſamen Woh¬
nung, und bin hier Herr im Hauſ' und Garten,
u. ſ. w. Wenn ich denn manchmal ſo da ſitze,
an dem kleinen Oefchen, und mir ſelbſt meinen
Thee koche, u. ſ. w.

In dem Tone gieng es fort, und ward ein
ſtattlicher und langer Brief; und als nun Rei¬
ſer es nicht uͤber das Herz bringen konnte, die¬
ſen ſchoͤnen Brief nicht auch ſeinem kritiſchen
Freunde, dem Doktor Sauer zu zeigen: ſo
verdarb dieſer vollends die Sache, indem er
ihm nach ſeiner gutmuͤthigen Hoͤflichkeit das
Kompliment machte: wenn ihm Reiſers Gegen¬
wart nicht ſelbſt zu lieb waͤre, ſo wuͤrde er wuͤn¬

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[183/0197] Und als dieß nun nur erſt einmal geſchehen war, ſo ſchrieb er gleichſam triumphirend an Philipp Reiſern. Jetzt, mein Lieber! bin ich in einer Lage, welche ich mir nicht reitzender wuͤnſchen koͤnnte. Ich blicke aus meinem kleinen Fenſter uͤber die weite Flur hinaus, ſehe ganz in der Ferne eine Reihe Baͤumchen auf einem kleinen Huͤgel her¬ vorragen, und denke an Dich, mein Lieber u. ſ. w. Ich habe die Schluͤſſel dieſer einſamen Woh¬ nung, und bin hier Herr im Hauſ' und Garten, u. ſ. w. Wenn ich denn manchmal ſo da ſitze, an dem kleinen Oefchen, und mir ſelbſt meinen Thee koche, u. ſ. w. In dem Tone gieng es fort, und ward ein ſtattlicher und langer Brief; und als nun Rei¬ ſer es nicht uͤber das Herz bringen konnte, die¬ ſen ſchoͤnen Brief nicht auch ſeinem kritiſchen Freunde, dem Doktor Sauer zu zeigen: ſo verdarb dieſer vollends die Sache, indem er ihm nach ſeiner gutmuͤthigen Hoͤflichkeit das Kompliment machte: wenn ihm Reiſers Gegen¬ wart nicht ſelbſt zu lieb waͤre, ſo wuͤrde er wuͤn¬ M 4

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/197>, abgerufen am 27.04.2024.