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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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Anfall von Poesie nicht alles wieder verdor¬
ben hätte.

Zuerst mochte wohl sein neuer Aufenthalt in
der einsamen romantischen Wohnung nicht we¬
nig dazu beitragen, seine Einbildungskraft aufs
neue zu erhitzen. Dann kam ein Brief dazu,
den er an Philipp Reisern in Hannover schrieb,
und welcher seinen Rückfall beschleunigte.

Dieß Schreiben war denn ganz im Tone der
Wertherschen Briefe abgefaßt. Die patriarcha¬
lischen Ideen mußten auch auf alle Weise wieder
erweckt werden, nur Schade, daß es hier nicht
wohl ohne Affektation geschehen konnte.

Denn um diesen Brief schreiben zu können,
schafte sich Reiser erst einen Theetopf an, und
lieh sich eine Tasse, und weil er kein Holz im
Hause hatte, kaufte er sich Stroh, welches man
in Erfurt zum Brennen braucht, um sich selber
in seinem Stübchen, in dem kleinen Oefchen
seinen Thee zu kochen, womit er endlich, nach¬
dem er vor Rauch beinahe erstickt war, zu
Stande kam.

Anfall von Poeſie nicht alles wieder verdor¬
ben haͤtte.

Zuerſt mochte wohl ſein neuer Aufenthalt in
der einſamen romantiſchen Wohnung nicht we¬
nig dazu beitragen, ſeine Einbildungskraft aufs
neue zu erhitzen. Dann kam ein Brief dazu,
den er an Philipp Reiſern in Hannover ſchrieb,
und welcher ſeinen Ruͤckfall beſchleunigte.

Dieß Schreiben war denn ganz im Tone der
Wertherſchen Briefe abgefaßt. Die patriarcha¬
liſchen Ideen mußten auch auf alle Weiſe wieder
erweckt werden, nur Schade, daß es hier nicht
wohl ohne Affektation geſchehen konnte.

Denn um dieſen Brief ſchreiben zu koͤnnen,
ſchafte ſich Reiſer erſt einen Theetopf an, und
lieh ſich eine Taſſe, und weil er kein Holz im
Hauſe hatte, kaufte er ſich Stroh, welches man
in Erfurt zum Brennen braucht, um ſich ſelber
in ſeinem Stuͤbchen, in dem kleinen Oefchen
ſeinen Thee zu kochen, womit er endlich, nach¬
dem er vor Rauch beinahe erſtickt war, zu
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[182/0196] Anfall von Poeſie nicht alles wieder verdor¬ ben haͤtte. Zuerſt mochte wohl ſein neuer Aufenthalt in der einſamen romantiſchen Wohnung nicht we¬ nig dazu beitragen, ſeine Einbildungskraft aufs neue zu erhitzen. Dann kam ein Brief dazu, den er an Philipp Reiſern in Hannover ſchrieb, und welcher ſeinen Ruͤckfall beſchleunigte. Dieß Schreiben war denn ganz im Tone der Wertherſchen Briefe abgefaßt. Die patriarcha¬ liſchen Ideen mußten auch auf alle Weiſe wieder erweckt werden, nur Schade, daß es hier nicht wohl ohne Affektation geſchehen konnte. Denn um dieſen Brief ſchreiben zu koͤnnen, ſchafte ſich Reiſer erſt einen Theetopf an, und lieh ſich eine Taſſe, und weil er kein Holz im Hauſe hatte, kaufte er ſich Stroh, welches man in Erfurt zum Brennen braucht, um ſich ſelber in ſeinem Stuͤbchen, in dem kleinen Oefchen ſeinen Thee zu kochen, womit er endlich, nach¬ dem er vor Rauch beinahe erſtickt war, zu Stande kam.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/196>, abgerufen am 27.04.2024.