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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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härteste Schlag traf, den er noch immer zu
vermeiden hofte, er mußte sein Haar verlieren.

Der Gedanke nunmehro in einer Perucke,
welches unter den Erfurter Studenten ganz et¬
was Ungewöhnliches war, erscheinen zu müssen,
war ihm unerträglich. Mit dem wenigen Gelde,
was er noch übrig hatte, gieng er an das äußerste
Ende der Stadt, wo er sich in einem Gasthof
einquartierte, in welchem er aber nur schlief,
und des Abends sich etwas Bier und Brodt ge¬
ben ließ, um desto länger mit seinem Gelbe zu
reichen.

Bei Tage gieng er größtentheils in öden Ge¬
genden umher, suchte, wenn es regnete, in
den Kirchen Schutz, und brachte auf die Weise
beinahe vierzehn Tage zu, in welcher Zeit nie¬
mand wußte, wo er geblieben war; bis endlich
denn doch einer seiner Freunde ihn ausspähte,
und er auf einmal von N. . . O. . . W. . . und
noch einigen, die sich für ihn interessirten, in
dem Gasthofe unvermuthet überrascht, und über
seine Entfernung ihm freundschaftliche Vorwürfe
gemacht wurden.

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haͤrteſte Schlag traf, den er noch immer zu
vermeiden hofte, er mußte ſein Haar verlieren.

Der Gedanke nunmehro in einer Perucke,
welches unter den Erfurter Studenten ganz et¬
was Ungewoͤhnliches war, erſcheinen zu muͤſſen,
war ihm unertraͤglich. Mit dem wenigen Gelde,
was er noch uͤbrig hatte, gieng er an das aͤußerſte
Ende der Stadt, wo er ſich in einem Gaſthof
einquartierte, in welchem er aber nur ſchlief,
und des Abends ſich etwas Bier und Brodt ge¬
ben ließ, um deſto laͤnger mit ſeinem Gelbe zu
reichen.

Bei Tage gieng er groͤßtentheils in oͤden Ge¬
genden umher, ſuchte, wenn es regnete, in
den Kirchen Schutz, und brachte auf die Weiſe
beinahe vierzehn Tage zu, in welcher Zeit nie¬
mand wußte, wo er geblieben war; bis endlich
denn doch einer ſeiner Freunde ihn ausſpaͤhte,
und er auf einmal von N. . . O. . . W. . . und
noch einigen, die ſich fuͤr ihn intereſſirten, in
dem Gaſthofe unvermuthet uͤberraſcht, und uͤber
ſeine Entfernung ihm freundſchaftliche Vorwuͤrfe
gemacht wurden.

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[179/0193] haͤrteſte Schlag traf, den er noch immer zu vermeiden hofte, er mußte ſein Haar verlieren. Der Gedanke nunmehro in einer Perucke, welches unter den Erfurter Studenten ganz et¬ was Ungewoͤhnliches war, erſcheinen zu muͤſſen, war ihm unertraͤglich. Mit dem wenigen Gelde, was er noch uͤbrig hatte, gieng er an das aͤußerſte Ende der Stadt, wo er ſich in einem Gaſthof einquartierte, in welchem er aber nur ſchlief, und des Abends ſich etwas Bier und Brodt ge¬ ben ließ, um deſto laͤnger mit ſeinem Gelbe zu reichen. Bei Tage gieng er groͤßtentheils in oͤden Ge¬ genden umher, ſuchte, wenn es regnete, in den Kirchen Schutz, und brachte auf die Weiſe beinahe vierzehn Tage zu, in welcher Zeit nie¬ mand wußte, wo er geblieben war; bis endlich denn doch einer ſeiner Freunde ihn ausſpaͤhte, und er auf einmal von N. . . O. . . W. . . und noch einigen, die ſich fuͤr ihn intereſſirten, in dem Gaſthofe unvermuthet uͤberraſcht, und uͤber ſeine Entfernung ihm freundſchaftliche Vorwuͤrfe gemacht wurden. M 2

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/193>, abgerufen am 27.04.2024.