China zu studiren, und sehr viele Zeit damit verschwendete.
Grade damals erschien auch: Siegwart eine Klostergeschichte, und er las mit seinem Freun¬ de R. . .s das Buch zu mehrerenmahlen durch, und beide thaten sich bei der entsetzlichsten Lan¬ genweile Zwang an, in der einmal angefange¬ nen Rührung, alle drei Bände hindurch zu bleiben.
Am Ende hatte Reiser nichts weniger im Sinne, als die ganze Geschichte in ein histori¬ sches Trauerspiel zu bringen, wozu er würklich allerlei Entwürfe machte, und die schöne Zeit damit verschwendete.
Wenn es ihm dann nicht, wie er wünschte, gerathen wollte, so hatte er nach jeder vergeb¬ nen Anstrengung dieser Art, die trübseeligsten und widrigsten Stunden, die man sich nur den¬ ken kann. Die ganze Natur und alle seine eige¬ nen Gedanken hatten dann ihren Reiz für ihn verlohren, jeder Moment war ihm drückend, und das Leben war ihm im eigentlichen Ver¬ stande eine Quaal.
China zu ſtudiren, und ſehr viele Zeit damit verſchwendete.
Grade damals erſchien auch: Siegwart eine Kloſtergeſchichte, und er las mit ſeinem Freun¬ de R. . .s das Buch zu mehrerenmahlen durch, und beide thaten ſich bei der entſetzlichſten Lan¬ genweile Zwang an, in der einmal angefange¬ nen Ruͤhrung, alle drei Baͤnde hindurch zu bleiben.
Am Ende hatte Reiſer nichts weniger im Sinne, als die ganze Geſchichte in ein hiſtori¬ ſches Trauerſpiel zu bringen, wozu er wuͤrklich allerlei Entwuͤrfe machte, und die ſchoͤne Zeit damit verſchwendete.
Wenn es ihm dann nicht, wie er wuͤnſchte, gerathen wollte, ſo hatte er nach jeder vergeb¬ nen Anſtrengung dieſer Art, die truͤbſeeligſten und widrigſten Stunden, die man ſich nur den¬ ken kann. Die ganze Natur und alle ſeine eige¬ nen Gedanken hatten dann ihren Reiz fuͤr ihn verlohren, jeder Moment war ihm druͤckend, und das Leben war ihm im eigentlichen Ver¬ ſtande eine Quaal.
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China zu ſtudiren, und ſehr viele Zeit damit
verſchwendete.
Grade damals erſchien auch: Siegwart eine
Kloſtergeſchichte, und er las mit ſeinem Freun¬
de R. . .s das Buch zu mehrerenmahlen durch,
und beide thaten ſich bei der entſetzlichſten Lan¬
genweile Zwang an, in der einmal angefange¬
nen Ruͤhrung, alle drei Baͤnde hindurch zu
bleiben.
Am Ende hatte Reiſer nichts weniger im
Sinne, als die ganze Geſchichte in ein hiſtori¬
ſches Trauerſpiel zu bringen, wozu er wuͤrklich
allerlei Entwuͤrfe machte, und die ſchoͤne Zeit
damit verſchwendete.
Wenn es ihm dann nicht, wie er wuͤnſchte,
gerathen wollte, ſo hatte er nach jeder vergeb¬
nen Anſtrengung dieſer Art, die truͤbſeeligſten
und widrigſten Stunden, die man ſich nur den¬
ken kann. Die ganze Natur und alle ſeine eige¬
nen Gedanken hatten dann ihren Reiz fuͤr ihn
verlohren, jeder Moment war ihm druͤckend,
und das Leben war ihm im eigentlichen Ver¬
ſtande eine Quaal.
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/169>, abgerufen am 16.02.2025.
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