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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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zog, und seine Blicke auf jenen stillen Sitz der
Einsamkeit heftete, nach welcher er eine heim¬
liche Sehnsucht empfand. --

Da das Gebäude seiner Phantasie geschei¬
tert war, und er die geräuschvollen Weltscenen
weder im wirklichen Leben, noch auf dem Thea¬
ter hatte durchspielen können, so fiel er nun,
wie es gemeiniglich zu geschehen pflegt, mit sei¬
ner ganzen Empfindung auf das andere Extrem.

Ganz von der Welt vergessen, von Men¬
schen abgeschieden, in der stillen Einsamkeit seine
Tage zu verleben, hatte einen unaussprechlichen
Reiz für ihn -- und diese Abgeschiedenheit er¬
hielt in seinen Gedanken einen desto höhern
Werth, je größer das Opfer war, das er
brachte. -- Denn das worauf er Verzicht that,
waren seine liebsten Wünsche, die in sein We¬
sen eingewebt schienen. --

Die Lampen und Kulissen, das glänzende
Amphitheater war verschwunden, die einsame
Zelle nahm ihn auf. --

Die hohe Mauer welche das Karthäuserklo¬
ster umschließt, das Thürmchen auf der Kirche,
die einzelnen Häuschen, die innerhalb der

zog, und ſeine Blicke auf jenen ſtillen Sitz der
Einſamkeit heftete, nach welcher er eine heim¬
liche Sehnſucht empfand. —

Da das Gebaͤude ſeiner Phantaſie geſchei¬
tert war, und er die geraͤuſchvollen Weltſcenen
weder im wirklichen Leben, noch auf dem Thea¬
ter hatte durchſpielen koͤnnen, ſo fiel er nun,
wie es gemeiniglich zu geſchehen pflegt, mit ſei¬
ner ganzen Empfindung auf das andere Extrem.

Ganz von der Welt vergeſſen, von Men¬
ſchen abgeſchieden, in der ſtillen Einſamkeit ſeine
Tage zu verleben, hatte einen unausſprechlichen
Reiz fuͤr ihn — und dieſe Abgeſchiedenheit er¬
hielt in ſeinen Gedanken einen deſto hoͤhern
Werth, je groͤßer das Opfer war, das er
brachte. — Denn das worauf er Verzicht that,
waren ſeine liebſten Wuͤnſche, die in ſein We¬
ſen eingewebt ſchienen. —

Die Lampen und Kuliſſen, das glaͤnzende
Amphitheater war verſchwunden, die einſame
Zelle nahm ihn auf. —

Die hohe Mauer welche das Karthaͤuſerklo¬
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[116/0130] zog, und ſeine Blicke auf jenen ſtillen Sitz der Einſamkeit heftete, nach welcher er eine heim¬ liche Sehnſucht empfand. — Da das Gebaͤude ſeiner Phantaſie geſchei¬ tert war, und er die geraͤuſchvollen Weltſcenen weder im wirklichen Leben, noch auf dem Thea¬ ter hatte durchſpielen koͤnnen, ſo fiel er nun, wie es gemeiniglich zu geſchehen pflegt, mit ſei¬ ner ganzen Empfindung auf das andere Extrem. Ganz von der Welt vergeſſen, von Men¬ ſchen abgeſchieden, in der ſtillen Einſamkeit ſeine Tage zu verleben, hatte einen unausſprechlichen Reiz fuͤr ihn — und dieſe Abgeſchiedenheit er¬ hielt in ſeinen Gedanken einen deſto hoͤhern Werth, je groͤßer das Opfer war, das er brachte. — Denn das worauf er Verzicht that, waren ſeine liebſten Wuͤnſche, die in ſein We¬ ſen eingewebt ſchienen. — Die Lampen und Kuliſſen, das glaͤnzende Amphitheater war verſchwunden, die einſame Zelle nahm ihn auf. — Die hohe Mauer welche das Karthaͤuſerklo¬ ſter umſchließt, das Thuͤrmchen auf der Kirche, die einzelnen Haͤuschen, die innerhalb der

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/130>, abgerufen am 07.05.2024.