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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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Mauer in einer Reihe nacheinander stehn, und
wovon jedes durch eine Mauer vom andern ab¬
gesondert, ein eigenes Fleckchen zum Garten
hat; dieß alles macht einen sehr interessanten
Anblik, und diese Höhe der Mauer, diese ein¬
zelnen Häuser, und diese Gärtchen dazwischen,
bezeichnen sehr auffallend und bedeutend die
Einsamkeit und Abgeschiedenheit der Bewohner
dieses Orts.

So oft die Glocke auf dem Thürmchen an¬
gezogen wurde, tönte sie in Reisers Ohren, wie
die Sterbeglocke aller irrdischen Wünsche und
Aussichten, in die Zukunft dieses Lebens. --

Denn hier war nun das Ziel von allem --
nie durfte der Fuß des Eingeweihten wieder aus
dem Bezirk dieser Mauren treten -- er fand
hier seine immerwährende Wohnung, und sein
Grab. --

Das Geläute der Karthäuser wird noch
mehr durch die Art mit der es geschieht, und
durch seine Langsamkeit traurig und melan¬
cholisch. --

So wie nehmlich die Karthäuser sich auf
dem Chor versammlen, thut jeder nach der

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Mauer in einer Reihe nacheinander ſtehn, und
wovon jedes durch eine Mauer vom andern ab¬
geſondert, ein eigenes Fleckchen zum Garten
hat; dieß alles macht einen ſehr intereſſanten
Anblik, und dieſe Hoͤhe der Mauer, dieſe ein¬
zelnen Haͤuſer, und dieſe Gaͤrtchen dazwiſchen,
bezeichnen ſehr auffallend und bedeutend die
Einſamkeit und Abgeſchiedenheit der Bewohner
dieſes Orts.

So oft die Glocke auf dem Thuͤrmchen an¬
gezogen wurde, toͤnte ſie in Reiſers Ohren, wie
die Sterbeglocke aller irrdiſchen Wuͤnſche und
Ausſichten, in die Zukunft dieſes Lebens. —

Denn hier war nun das Ziel von allem —
nie durfte der Fuß des Eingeweihten wieder aus
dem Bezirk dieſer Mauren treten — er fand
hier ſeine immerwaͤhrende Wohnung, und ſein
Grab. —

Das Gelaͤute der Karthaͤuſer wird noch
mehr durch die Art mit der es geſchieht, und
durch ſeine Langſamkeit traurig und melan¬
choliſch. —

So wie nehmlich die Karthaͤuſer ſich auf
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[117/0131] Mauer in einer Reihe nacheinander ſtehn, und wovon jedes durch eine Mauer vom andern ab¬ geſondert, ein eigenes Fleckchen zum Garten hat; dieß alles macht einen ſehr intereſſanten Anblik, und dieſe Hoͤhe der Mauer, dieſe ein¬ zelnen Haͤuſer, und dieſe Gaͤrtchen dazwiſchen, bezeichnen ſehr auffallend und bedeutend die Einſamkeit und Abgeſchiedenheit der Bewohner dieſes Orts. So oft die Glocke auf dem Thuͤrmchen an¬ gezogen wurde, toͤnte ſie in Reiſers Ohren, wie die Sterbeglocke aller irrdiſchen Wuͤnſche und Ausſichten, in die Zukunft dieſes Lebens. — Denn hier war nun das Ziel von allem — nie durfte der Fuß des Eingeweihten wieder aus dem Bezirk dieſer Mauren treten — er fand hier ſeine immerwaͤhrende Wohnung, und ſein Grab. — Das Gelaͤute der Karthaͤuſer wird noch mehr durch die Art mit der es geſchieht, und durch ſeine Langſamkeit traurig und melan¬ choliſch. — So wie nehmlich die Karthaͤuſer ſich auf dem Chor verſammlen, thut jeder nach der H 3

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/131>, abgerufen am 24.11.2024.