Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

Bild:
<< vorherige Seite

für Reisern lauter heilige Dinge, und er dachte
eine Zeitlang, dieß wolle doch weit mehr sagen,
als Schauspieler zu seyn. Er stand nun wieder
in Reihe und Glied, war ein Mitbürger einer
Menschenklasse, die sich durch einen höhern
Grad von Bildung vor allen übrigen auszuzeich¬
nen streben. Durch seine Matrikel war seine
Existenz bestimmt: kurz er betrachtete sich, als
er wieder vom Petersberge hinunterstieg, wie
ein anderes Wesen.

Gegen Mittag zeigte er dem Doktor Froriep
die erhaltene Matrikel vor, und brachte ihm zu¬
gleich seine Gedichte, die dießmal weit mehr
Glück machten, als er erwartet hatte. In Er¬
furt war nehmlich das Studium der schönen
Wissenschaften unter den Studenten noch etwas
seltenes, und dem Doktor Froriep war es lieb,
einen mehr zu haben, der in diesem Fache den
andern einigermaßen zum Beispiel diente.

Diese Gedichte bewürkten also, daß Reisers
neuer Gönner sich nun noch weit mehr für ihn
interessirte, und ihn keine Nacht mehr im Gast¬
hofe ließ, sondern sogleich dem Universitätsquar¬
tiermeister, der zugleich Fechtmeister war, den

fuͤr Reiſern lauter heilige Dinge, und er dachte
eine Zeitlang, dieß wolle doch weit mehr ſagen,
als Schauſpieler zu ſeyn. Er ſtand nun wieder
in Reihe und Glied, war ein Mitbuͤrger einer
Menſchenklaſſe, die ſich durch einen hoͤhern
Grad von Bildung vor allen uͤbrigen auszuzeich¬
nen ſtreben. Durch ſeine Matrikel war ſeine
Exiſtenz beſtimmt: kurz er betrachtete ſich, als
er wieder vom Petersberge hinunterſtieg, wie
ein anderes Weſen.

Gegen Mittag zeigte er dem Doktor Froriep
die erhaltene Matrikel vor, und brachte ihm zu¬
gleich ſeine Gedichte, die dießmal weit mehr
Gluͤck machten, als er erwartet hatte. In Er¬
furt war nehmlich das Studium der ſchoͤnen
Wiſſenſchaften unter den Studenten noch etwas
ſeltenes, und dem Doktor Froriep war es lieb,
einen mehr zu haben, der in dieſem Fache den
andern einigermaßen zum Beiſpiel diente.

Dieſe Gedichte bewuͤrkten alſo, daß Reiſers
neuer Goͤnner ſich nun noch weit mehr fuͤr ihn
intereſſirte, und ihn keine Nacht mehr im Gaſt¬
hofe ließ, ſondern ſogleich dem Univerſitaͤtsquar¬
tiermeiſter, der zugleich Fechtmeiſter war, den

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0120" n="106"/>
fu&#x0364;r Rei&#x017F;ern lauter heilige Dinge, und er dachte<lb/>
eine Zeitlang, dieß wolle doch weit mehr &#x017F;agen,<lb/>
als Schau&#x017F;pieler zu &#x017F;eyn. Er &#x017F;tand nun wieder<lb/>
in Reihe und Glied, war ein Mitbu&#x0364;rger einer<lb/>
Men&#x017F;chenkla&#x017F;&#x017F;e, die &#x017F;ich durch einen ho&#x0364;hern<lb/>
Grad von Bildung vor allen u&#x0364;brigen auszuzeich¬<lb/>
nen &#x017F;treben. Durch &#x017F;eine Matrikel war &#x017F;eine<lb/>
Exi&#x017F;tenz be&#x017F;timmt: kurz er betrachtete &#x017F;ich, als<lb/>
er wieder vom Petersberge hinunter&#x017F;tieg, wie<lb/>
ein anderes We&#x017F;en.</p><lb/>
      <p>Gegen Mittag zeigte er dem Doktor Froriep<lb/>
die erhaltene Matrikel vor, und brachte ihm zu¬<lb/>
gleich &#x017F;eine Gedichte, die dießmal weit mehr<lb/>
Glu&#x0364;ck machten, als er erwartet hatte. In Er¬<lb/>
furt war nehmlich das Studium der &#x017F;cho&#x0364;nen<lb/>
Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften unter den Studenten noch etwas<lb/>
&#x017F;eltenes, und dem Doktor Froriep war es lieb,<lb/>
einen mehr zu haben, der in die&#x017F;em Fache den<lb/>
andern einigermaßen zum Bei&#x017F;piel diente.</p><lb/>
      <p>Die&#x017F;e Gedichte bewu&#x0364;rkten al&#x017F;o, daß Rei&#x017F;ers<lb/>
neuer Go&#x0364;nner &#x017F;ich nun noch weit mehr fu&#x0364;r ihn<lb/>
intere&#x017F;&#x017F;irte, und ihn keine Nacht mehr im Ga&#x017F;<lb/>
hofe ließ, &#x017F;ondern &#x017F;ogleich dem Univer&#x017F;ita&#x0364;tsquar¬<lb/>
tiermei&#x017F;ter, der zugleich Fechtmei&#x017F;ter war, den<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[106/0120] fuͤr Reiſern lauter heilige Dinge, und er dachte eine Zeitlang, dieß wolle doch weit mehr ſagen, als Schauſpieler zu ſeyn. Er ſtand nun wieder in Reihe und Glied, war ein Mitbuͤrger einer Menſchenklaſſe, die ſich durch einen hoͤhern Grad von Bildung vor allen uͤbrigen auszuzeich¬ nen ſtreben. Durch ſeine Matrikel war ſeine Exiſtenz beſtimmt: kurz er betrachtete ſich, als er wieder vom Petersberge hinunterſtieg, wie ein anderes Weſen. Gegen Mittag zeigte er dem Doktor Froriep die erhaltene Matrikel vor, und brachte ihm zu¬ gleich ſeine Gedichte, die dießmal weit mehr Gluͤck machten, als er erwartet hatte. In Er¬ furt war nehmlich das Studium der ſchoͤnen Wiſſenſchaften unter den Studenten noch etwas ſeltenes, und dem Doktor Froriep war es lieb, einen mehr zu haben, der in dieſem Fache den andern einigermaßen zum Beiſpiel diente. Dieſe Gedichte bewuͤrkten alſo, daß Reiſers neuer Goͤnner ſich nun noch weit mehr fuͤr ihn intereſſirte, und ihn keine Nacht mehr im Gaſt¬ hofe ließ, ſondern ſogleich dem Univerſitaͤtsquar¬ tiermeiſter, der zugleich Fechtmeiſter war, den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/120
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 106. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/120>, abgerufen am 07.05.2024.