Auftrag gab, ihm ein Logis zu verschaffen. Dieser quartierte ihn dann fürs erste bei einem alten Studiosus Medicinä ein, welcher bei ihm im Hause wohnte, und weil er zugleich die Be¬ sorgung des Freitisches für die Studenten hatte, so zog er ihn fürs erste an seinen eigenen Tisch.
Bei diesen glücklichen Umständen wurde nun Reiser wieder auf manche Stunde lang, der un¬ glücklichste Mensch von der Welt, weil ihn seine Erziehung, und der Kummer von seinen Schul¬ jahren drückten. Die Idee von den Freitischen, die er als Schüler hatte genießen müssen, lag wie eine Last auf ihm, und er fühlte sich im Grunde weit unglücklicher, wie er nun an den Tisch des Fechtmeisters gehen sollte, als wie er auf dem Felde zwischen Gotha und Eisenach rohe Wurzeln aß.
Dieß machte, daß er bei den Studenten, welche auch mit ihm bei dem Fechtmeister aßen, für einen timiden und blöden Menschen gehalten wurde; und da sein Wirth, der mit Studenten nach ihrer Art umging, auch nicht viel Um¬ stände mit ihm machte, so wurde dadurch sein Zustand noch unerträglicher; er schien sich auf
Auftrag gab, ihm ein Logis zu verſchaffen. Dieſer quartierte ihn dann fuͤrs erſte bei einem alten Studioſus Medicinaͤ ein, welcher bei ihm im Hauſe wohnte, und weil er zugleich die Be¬ ſorgung des Freitiſches fuͤr die Studenten hatte, ſo zog er ihn fuͤrs erſte an ſeinen eigenen Tiſch.
Bei dieſen gluͤcklichen Umſtaͤnden wurde nun Reiſer wieder auf manche Stunde lang, der un¬ gluͤcklichſte Menſch von der Welt, weil ihn ſeine Erziehung, und der Kummer von ſeinen Schul¬ jahren druͤckten. Die Idee von den Freitiſchen, die er als Schuͤler hatte genießen muͤſſen, lag wie eine Laſt auf ihm, und er fuͤhlte ſich im Grunde weit ungluͤcklicher, wie er nun an den Tiſch des Fechtmeiſters gehen ſollte, als wie er auf dem Felde zwiſchen Gotha und Eiſenach rohe Wurzeln aß.
Dieß machte, daß er bei den Studenten, welche auch mit ihm bei dem Fechtmeiſter aßen, fuͤr einen timiden und bloͤden Menſchen gehalten wurde; und da ſein Wirth, der mit Studenten nach ihrer Art umging, auch nicht viel Um¬ ſtaͤnde mit ihm machte, ſo wurde dadurch ſein Zuſtand noch unertraͤglicher; er ſchien ſich auf
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Auftrag gab, ihm ein Logis zu verſchaffen.
Dieſer quartierte ihn dann fuͤrs erſte bei einem
alten Studioſus Medicinaͤ ein, welcher bei ihm
im Hauſe wohnte, und weil er zugleich die Be¬
ſorgung des Freitiſches fuͤr die Studenten hatte,
ſo zog er ihn fuͤrs erſte an ſeinen eigenen Tiſch.
Bei dieſen gluͤcklichen Umſtaͤnden wurde nun
Reiſer wieder auf manche Stunde lang, der un¬
gluͤcklichſte Menſch von der Welt, weil ihn ſeine
Erziehung, und der Kummer von ſeinen Schul¬
jahren druͤckten. Die Idee von den Freitiſchen,
die er als Schuͤler hatte genießen muͤſſen, lag
wie eine Laſt auf ihm, und er fuͤhlte ſich im
Grunde weit ungluͤcklicher, wie er nun an den
Tiſch des Fechtmeiſters gehen ſollte, als wie
er auf dem Felde zwiſchen Gotha und Eiſenach
rohe Wurzeln aß.
Dieß machte, daß er bei den Studenten,
welche auch mit ihm bei dem Fechtmeiſter aßen,
fuͤr einen timiden und bloͤden Menſchen gehalten
wurde; und da ſein Wirth, der mit Studenten
nach ihrer Art umging, auch nicht viel Um¬
ſtaͤnde mit ihm machte, ſo wurde dadurch ſein
Zuſtand noch unertraͤglicher; er ſchien ſich auf
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/121>, abgerufen am 16.02.2025.
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