Anverwandtin von dem Ertunkenen war, und mit deren Bruder sich dieser eben gebadet hatte, auf die erhaltene Nachricht von dem unglückli¬ chen Vorfall, sogleich aus der Stadt herbeieilte, und bei der Menge Menschen, die am Flusse standen, ihre Thränen nicht verbarg, welches Anton Reiser mit Rührung bemerkte, so daß er den Todten fast beneidet hätte, um den solche Thränen flossen. --
Reiser war nehmlich auch in der Absicht sich zu baden an den Fluß gegangen, und eben da er hinkam war der junge Mensch ertrunken, dessen Gefährte sich noch nicht einmal wieder ange¬ kleidet hatte; er sahe darauf die gleichgültigen und bei der Sache unintereßirten Zuschauer sich allmälig versammlen, sahe den Körper des jun¬ gen Menschen, den er selbst durch Philipp Rei¬ sern sehr gut gekannt hatte, herausziehen, und alle Mittel, ihn wieder zum Leben zu bringen, vergeblich anwenden, -- diß alles machte einen so lebhaften Eindruck auf ihn, daß das Gedicht, welches er auf diesenVorfall verfertigte, eine gewisse Wahr¬ heit im Ausdruck erhielt, und sich dadurch von
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Anverwandtin von dem Ertunkenen war, und mit deren Bruder ſich dieſer eben gebadet hatte, auf die erhaltene Nachricht von dem ungluͤckli¬ chen Vorfall, ſogleich aus der Stadt herbeieilte, und bei der Menge Menſchen, die am Fluſſe ſtanden, ihre Thraͤnen nicht verbarg, welches Anton Reiſer mit Ruͤhrung bemerkte, ſo daß er den Todten faſt beneidet haͤtte, um den ſolche Thraͤnen floſſen. —
Reiſer war nehmlich auch in der Abſicht ſich zu baden an den Fluß gegangen, und eben da er hinkam war der junge Menſch ertrunken, deſſen Gefaͤhrte ſich noch nicht einmal wieder ange¬ kleidet hatte; er ſahe darauf die gleichguͤltigen und bei der Sache unintereßirten Zuſchauer ſich allmaͤlig verſammlen, ſahe den Koͤrper des jun¬ gen Menſchen, den er ſelbſt durch Philipp Rei¬ ſern ſehr gut gekannt hatte, herausziehen, und alle Mittel, ihn wieder zum Leben zu bringen, vergeblich anwenden, — diß alles machte einen ſo lebhaften Eindruck auf ihn, daß das Gedicht, welches er auf dieſenVorfall verfertigte, eine gewiſſe Wahr¬ heit im Ausdruck erhielt, und ſich dadurch von
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Anverwandtin von dem Ertunkenen war, und
mit deren Bruder ſich dieſer eben gebadet hatte,
auf die erhaltene Nachricht von dem ungluͤckli¬
chen Vorfall, ſogleich aus der Stadt herbeieilte,
und bei der Menge Menſchen, die am Fluſſe
ſtanden, ihre Thraͤnen nicht verbarg, welches
Anton Reiſer mit Ruͤhrung bemerkte, ſo daß er
den Todten faſt beneidet haͤtte, um den ſolche
Thraͤnen floſſen. —
Reiſer war nehmlich auch in der Abſicht ſich
zu baden an den Fluß gegangen, und eben da er
hinkam war der junge Menſch ertrunken, deſſen
Gefaͤhrte ſich noch nicht einmal wieder ange¬
kleidet hatte; er ſahe darauf die gleichguͤltigen
und bei der Sache unintereßirten Zuſchauer ſich
allmaͤlig verſammlen, ſahe den Koͤrper des jun¬
gen Menſchen, den er ſelbſt durch Philipp Rei¬
ſern ſehr gut gekannt hatte, herausziehen, und
alle Mittel, ihn wieder zum Leben zu bringen,
vergeblich anwenden, — diß alles machte einen ſo
lebhaften Eindruck auf ihn, daß das Gedicht, welches
er auf dieſenVorfall verfertigte, eine gewiſſe Wahr¬
heit im Ausdruck erhielt, und ſich dadurch von
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/95>, abgerufen am 16.02.2025.
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