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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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worden war, so behielt derselbe auch dißmal
selbst über seinen Verdruß und seine Kränkung
zuletzt die Oberhand; er suchte sich das Krän¬
kende, was er empfunden hatte, und noch em¬
pfand, in Worte einzukleiden, um es seiner Ein¬
bildungskraft desto lebhafter vorstellen zu kön¬
nen. -- Und ehe das Chorsingen noch geendigt
war, war auch schon der Aussatz, den er zu
Hause niederschreiben wollte, unter allen Ge¬
räusch und Spott und Hohngelächter, das ihn
umgab, völlig vollendet -- und die Freude dar¬
über erhob ihn gewissermaßen über sich selbst und
seinen eigenen Kummer. -- Sobald er zu Hause
kam, schrieb er mit einer sonderbaren gemischten
wehmüthigen Empfindung, voll Schmerz über
seinen Zustand, und voll Freude, daß es ihm ge¬
lungen war, durch die Sprache ein lebhaftes
Bild von seinem Zustande zu entwerfen, fol¬
gende Worte nieder:

An R...

Wie traurig ist doch das Daseyn der Men¬
schen -- und dieses nichtige Daseyn, machen wir
uns noch selbst einander unerträglich, statt daß wir

worden war, ſo behielt derſelbe auch dißmal
ſelbſt uͤber ſeinen Verdruß und ſeine Kraͤnkung
zuletzt die Oberhand; er ſuchte ſich das Kraͤn¬
kende, was er empfunden hatte, und noch em¬
pfand, in Worte einzukleiden, um es ſeiner Ein¬
bildungskraft deſto lebhafter vorſtellen zu koͤn¬
nen. — Und ehe das Chorſingen noch geendigt
war, war auch ſchon der Auſſatz, den er zu
Hauſe niederſchreiben wollte, unter allen Ge¬
raͤuſch und Spott und Hohngelaͤchter, das ihn
umgab, voͤllig vollendet — und die Freude dar¬
uͤber erhob ihn gewiſſermaßen uͤber ſich ſelbſt und
ſeinen eigenen Kummer. — Sobald er zu Hauſe
kam, ſchrieb er mit einer ſonderbaren gemiſchten
wehmuͤthigen Empfindung, voll Schmerz uͤber
ſeinen Zuſtand, und voll Freude, daß es ihm ge¬
lungen war, durch die Sprache ein lebhaftes
Bild von ſeinem Zuſtande zu entwerfen, fol¬
gende Worte nieder:

An R...

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[58/0068] worden war, ſo behielt derſelbe auch dißmal ſelbſt uͤber ſeinen Verdruß und ſeine Kraͤnkung zuletzt die Oberhand; er ſuchte ſich das Kraͤn¬ kende, was er empfunden hatte, und noch em¬ pfand, in Worte einzukleiden, um es ſeiner Ein¬ bildungskraft deſto lebhafter vorſtellen zu koͤn¬ nen. — Und ehe das Chorſingen noch geendigt war, war auch ſchon der Auſſatz, den er zu Hauſe niederſchreiben wollte, unter allen Ge¬ raͤuſch und Spott und Hohngelaͤchter, das ihn umgab, voͤllig vollendet — und die Freude dar¬ uͤber erhob ihn gewiſſermaßen uͤber ſich ſelbſt und ſeinen eigenen Kummer. — Sobald er zu Hauſe kam, ſchrieb er mit einer ſonderbaren gemiſchten wehmuͤthigen Empfindung, voll Schmerz uͤber ſeinen Zuſtand, und voll Freude, daß es ihm ge¬ lungen war, durch die Sprache ein lebhaftes Bild von ſeinem Zuſtande zu entwerfen, fol¬ gende Worte nieder: An R... Wie traurig iſt doch das Daſeyn der Men¬ ſchen — und dieſes nichtige Daſeyn, machen wir uns noch ſelbſt einander unertraͤglich, ſtatt daß wir

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/68>, abgerufen am 21.11.2024.