einzukleiden gelang, war etwas metaphysisches über Ichheit und Selbstbewußtseyn. --
Denu da er nun weiter denken, und Gedan¬ ken niederschreiben wollte, so lag ihm natürlicher Weise nichts näher, als diß: er wollte erst mit sich selbst gleichsam in Richtigkeit seyn, ehe er zu etwas anderm schritte. --
Nun fing er an, den Begriff des Indivi¬ duums zu verfolgen, der ihm schon seit einigen Jahren, da er zuerst etwas von Logik gehört hatte, vorzüglich wichtig geworden war, -- und da er nun endlich auf den höchsten Grad des Bestimmtseyns von allen Seiten, und des voll¬ kommen sich selbst gleich seyns stieß -- so war es ihm nach einigem Nachdenken, als ob er sich selbst entschwunden wäre -- und sich erst in der Reihe seiner Erinnerungen an das Vergangene wieder suchen müßte. -- Er fühlte, daß sich das Daseyn nur an der Kette die¬ ser unumterbrochnen Erinnerungen festhielt. --
Die wahre Existenz schien ihm nur auf das eigentliche Individuum begrenzt zu seyn -- und außer einem ewig unveränderlichen, alles
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einzukleiden gelang, war etwas metaphyſiſches uͤber Ichheit und Selbſtbewußtſeyn. —
Denu da er nun weiter denken, und Gedan¬ ken niederſchreiben wollte, ſo lag ihm natuͤrlicher Weiſe nichts naͤher, als diß: er wollte erſt mit ſich ſelbſt gleichſam in Richtigkeit ſeyn, ehe er zu etwas anderm ſchritte. —
Nun fing er an, den Begriff des Indivi¬ duums zu verfolgen, der ihm ſchon ſeit einigen Jahren, da er zuerſt etwas von Logik gehoͤrt hatte, vorzuͤglich wichtig geworden war, — und da er nun endlich auf den hoͤchſten Grad des Beſtimmtſeyns von allen Seiten, und des voll¬ kommen ſich ſelbſt gleich ſeyns ſtieß — ſo war es ihm nach einigem Nachdenken, als ob er ſich ſelbſt entſchwunden waͤre — und ſich erſt in der Reihe ſeiner Erinnerungen an das Vergangene wieder ſuchen muͤßte. — Er fuͤhlte, daß ſich das Daſeyn nur an der Kette die¬ ſer unumterbrochnen Erinnerungen feſthielt. —
Die wahre Exiſtenz ſchien ihm nur auf das eigentliche Individuum begrenzt zu ſeyn — und außer einem ewig unveraͤnderlichen, alles
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einzukleiden gelang, war etwas metaphyſiſches uͤber
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Denu da er nun weiter denken, und Gedan¬
ken niederſchreiben wollte, ſo lag ihm natuͤrlicher
Weiſe nichts naͤher, als diß: er wollte erſt mit
ſich ſelbſt gleichſam in Richtigkeit ſeyn, ehe er zu
etwas anderm ſchritte. —
Nun fing er an, den Begriff des Indivi¬
duums zu verfolgen, der ihm ſchon ſeit einigen
Jahren, da er zuerſt etwas von Logik gehoͤrt
hatte, vorzuͤglich wichtig geworden war, — und
da er nun endlich auf den hoͤchſten Grad des
Beſtimmtſeyns von allen Seiten, und des voll¬
kommen ſich ſelbſt gleich ſeyns ſtieß — ſo
war es ihm nach einigem Nachdenken, als ob
er ſich ſelbſt entſchwunden waͤre — und ſich
erſt in der Reihe ſeiner Erinnerungen an
das Vergangene wieder ſuchen muͤßte. — Er
fuͤhlte, daß ſich das Daſeyn nur an der Kette die¬
ſer unumterbrochnen Erinnerungen feſthielt. —
Die wahre Exiſtenz ſchien ihm nur auf das
eigentliche Individuum begrenzt zu ſeyn —
und außer einem ewig unveraͤnderlichen, alles
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/63>, abgerufen am 22.07.2024.
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