Das Bedürfniß, seine Gedanken und Em¬ pfindungen mitzutheilen, brachte ihn auf den Einfall, sich wieder eine Art von Tagebuch zu machen, worin er aber nicht sowohl seine äußern geringfügigen Begebenheiten, wie ehemals, son¬ dern die innere Geschichte seines Geistes auf¬ zeichnen, und das, was er aufzeichnete, in Form eines Briefes an seinen Freund richten wollte. --
Dieser sollte denn wiederum an ihn schrei¬ ben, und diß sollte für beide eine wechselseitige Uebung im Stil werden. -- Diese Uebung bil¬ dete Anton Reisern zuerst zum Schriftsteller; er fing an, ein unbeschreibliches Vergnügen daran zu empfinden, Gedanken, die er für sich gedacht hatte, nun in anpassende Worte einzukleiden, um sie seinem Freunde mittheilen zu können -- so entstanden ihm unter den Händen eine Anzahl kleiner Aufsätze, deren er sich zum Theil auch in reifern Jahren nicht hätte schämen dürfen. --
Die Uebung war zwar einseitig, denn Phi¬ lipp Reiser blieb mit seinen Aufsätzen zurück -- aber Anton Reiser hatte doch nun jemanden, dem er Gefühl und Geschmack zutrauete, dessen Beifall oder Tadel ihm nicht gleichgültig war,
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Das Beduͤrfniß, ſeine Gedanken und Em¬ pfindungen mitzutheilen, brachte ihn auf den Einfall, ſich wieder eine Art von Tagebuch zu machen, worin er aber nicht ſowohl ſeine aͤußern geringfuͤgigen Begebenheiten, wie ehemals, ſon¬ dern die innere Geſchichte ſeines Geiſtes auf¬ zeichnen, und das, was er aufzeichnete, in Form eines Briefes an ſeinen Freund richten wollte. —
Dieſer ſollte denn wiederum an ihn ſchrei¬ ben, und diß ſollte fuͤr beide eine wechſelſeitige Uebung im Stil werden. — Dieſe Uebung bil¬ dete Anton Reiſern zuerſt zum Schriftſteller; er fing an, ein unbeſchreibliches Vergnuͤgen daran zu empfinden, Gedanken, die er fuͤr ſich gedacht hatte, nun in anpaſſende Worte einzukleiden, um ſie ſeinem Freunde mittheilen zu koͤnnen — ſo entſtanden ihm unter den Haͤnden eine Anzahl kleiner Aufſaͤtze, deren er ſich zum Theil auch in reifern Jahren nicht haͤtte ſchaͤmen duͤrfen. —
Die Uebung war zwar einſeitig, denn Phi¬ lipp Reiſer blieb mit ſeinen Aufſaͤtzen zuruͤck — aber Anton Reiſer hatte doch nun jemanden, dem er Gefuͤhl und Geſchmack zutrauete, deſſen Beifall oder Tadel ihm nicht gleichguͤltig war,
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Das Beduͤrfniß, ſeine Gedanken und Em¬
pfindungen mitzutheilen, brachte ihn auf den
Einfall, ſich wieder eine Art von Tagebuch zu
machen, worin er aber nicht ſowohl ſeine aͤußern
geringfuͤgigen Begebenheiten, wie ehemals, ſon¬
dern die innere Geſchichte ſeines Geiſtes auf¬
zeichnen, und das, was er aufzeichnete, in Form
eines Briefes an ſeinen Freund richten wollte. —
Dieſer ſollte denn wiederum an ihn ſchrei¬
ben, und diß ſollte fuͤr beide eine wechſelſeitige
Uebung im Stil werden. — Dieſe Uebung bil¬
dete Anton Reiſern zuerſt zum Schriftſteller; er
fing an, ein unbeſchreibliches Vergnuͤgen daran
zu empfinden, Gedanken, die er fuͤr ſich gedacht
hatte, nun in anpaſſende Worte einzukleiden, um
ſie ſeinem Freunde mittheilen zu koͤnnen — ſo
entſtanden ihm unter den Haͤnden eine Anzahl
kleiner Aufſaͤtze, deren er ſich zum Theil auch in
reifern Jahren nicht haͤtte ſchaͤmen duͤrfen. —
Die Uebung war zwar einſeitig, denn Phi¬
lipp Reiſer blieb mit ſeinen Aufſaͤtzen zuruͤck —
aber Anton Reiſer hatte doch nun jemanden,
dem er Gefuͤhl und Geſchmack zutrauete, deſſen
Beifall oder Tadel ihm nicht gleichguͤltig war,
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/61>, abgerufen am 16.02.2025.
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