Hände zu bekommen; diese laß er durch, und abstrahirte sich daraus sein Ideal, ohne sonst aus einer einzigen, sich auch nur eines Ausdrucks zu bedienen -- dieß vermied er so sorgfältig, als er nur immer konnte; denn vor dem Plagiat hatte er die entsetzlichste Scheu -- so daß er sich sogar des Ausdrucks am Schluß seiner Rede, daß Wald und Gebürg' es wiederhallen, schämte, weil einmal in Werthers Leiden der Ausdruck steht: daß Wald und Gebürg' er¬ klang -- ihm entschlüpften zwar oft Remini¬ ßenzien, aber er schämte sich ihrer, sobald er sie bemerkte. --
An dem Tage nun, da er die Rede gehalten hatte, war er, wie ich schon bemerkt, niederge¬ schlagener, wie jemals -- denn alles war ihm doch so todt, so leer -- und es war nun vorbei -- womit seine Einbildungskraft sich so lange be¬ schäftigt hatte. --
Den Nachmittag wurde er nebst den andern beiden, die Reden gehalten hatten, bei dem ersten Bürgermeister, der zugleich Scholarch war, zum Kaffee gebeten, dieß war ihm eine ganz unge¬ wohnte Ehre -- er wußte sich nicht recht dabei
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Haͤnde zu bekommen; dieſe laß er durch, und abſtrahirte ſich daraus ſein Ideal, ohne ſonſt aus einer einzigen, ſich auch nur eines Ausdrucks zu bedienen — dieß vermied er ſo ſorgfaͤltig, als er nur immer konnte; denn vor dem Plagiat hatte er die entſetzlichſte Scheu — ſo daß er ſich ſogar des Ausdrucks am Schluß ſeiner Rede, daß Wald und Gebuͤrg' es wiederhallen, ſchaͤmte, weil einmal in Werthers Leiden der Ausdruck ſteht: daß Wald und Gebuͤrg' er¬ klang — ihm entſchluͤpften zwar oft Remini¬ ſzenzien, aber er ſchaͤmte ſich ihrer, ſobald er ſie bemerkte. —
An dem Tage nun, da er die Rede gehalten hatte, war er, wie ich ſchon bemerkt, niederge¬ ſchlagener, wie jemals — denn alles war ihm doch ſo todt, ſo leer — und es war nun vorbei — womit ſeine Einbildungskraft ſich ſo lange be¬ ſchaͤftigt hatte. —
Den Nachmittag wurde er nebſt den andern beiden, die Reden gehalten hatten, bei dem erſten Buͤrgermeiſter, der zugleich Scholarch war, zum Kaffee gebeten, dieß war ihm eine ganz unge¬ wohnte Ehre — er wußte ſich nicht recht dabei
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Haͤnde zu bekommen; dieſe laß er durch, und
abſtrahirte ſich daraus ſein Ideal, ohne ſonſt
aus einer einzigen, ſich auch nur eines Ausdrucks
zu bedienen — dieß vermied er ſo ſorgfaͤltig, als
er nur immer konnte; denn vor dem Plagiat
hatte er die entſetzlichſte Scheu — ſo daß er ſich
ſogar des Ausdrucks am Schluß ſeiner Rede,
daß Wald und Gebuͤrg' es wiederhallen,
ſchaͤmte, weil einmal in Werthers Leiden der
Ausdruck ſteht: daß Wald und Gebuͤrg' er¬
klang — ihm entſchluͤpften zwar oft Remini¬
ſzenzien, aber er ſchaͤmte ſich ihrer, ſobald er ſie
bemerkte. —
An dem Tage nun, da er die Rede gehalten
hatte, war er, wie ich ſchon bemerkt, niederge¬
ſchlagener, wie jemals — denn alles war ihm
doch ſo todt, ſo leer — und es war nun vorbei
— womit ſeine Einbildungskraft ſich ſo lange be¬
ſchaͤftigt hatte. —
Den Nachmittag wurde er nebſt den andern
beiden, die Reden gehalten hatten, bei dem erſten
Buͤrgermeiſter, der zugleich Scholarch war, zum
Kaffee gebeten, dieß war ihm eine ganz unge¬
wohnte Ehre — er wußte ſich nicht recht dabei
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/159>, abgerufen am 22.07.2024.
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