so daß sie eine Art von langen Gängen bildeten, in welchen man sich verlieren konnte. -- Wenn man hier sprach, so schallte es dumpf wieder. -- Da nun hier niemand zu sehen war, so fing W. . . an zu rufen ubi? -- und eine Stimme in der Ferne antwortete hic! -- sie gingen darauf in das eigentliche Brauhaus, dicht neben dem Revier, wo die Fässer standen, und der Essig¬ brauer, in seinem weissen Kamisol, und blauen Schürze, mit aufgestreiften Armen, stand am Fenster und schrieb -- er wäre gleich fertig, sagte er, darauf gab er an W. . . ein Papier, worauf einige lateinische Verse standen, die er so eben für ihn verfertigt hatte. --
Der Essigbrauer schien Reisern ein Mann von ohngefähr dreissig Jahren zu seyn -- in jeder Bewegung seiner Muskeln, in dem zuckenden Blick seiner Augen, schien sich in sich selbst zu¬ rückgedrängte Kraft zu äußern. -- Gleich der erste Anblick des Essigbrauers flößte Reisern Ehr¬ furcht ein -- dieser aber schien sich erst gar nicht um ihn zu bekümmern, sondern sprach mit W. . . über einige neue Musikalien und andere Sachen, wobei er kein Wort anders als platdeutsch
ſo daß ſie eine Art von langen Gaͤngen bildeten, in welchen man ſich verlieren konnte. — Wenn man hier ſprach, ſo ſchallte es dumpf wieder. — Da nun hier niemand zu ſehen war, ſo fing W. . . an zu rufen ubi? — und eine Stimme in der Ferne antwortete hic! — ſie gingen darauf in das eigentliche Brauhaus, dicht neben dem Revier, wo die Faͤſſer ſtanden, und der Eſſig¬ brauer, in ſeinem weiſſen Kamiſol, und blauen Schuͤrze, mit aufgeſtreiften Armen, ſtand am Fenſter und ſchrieb — er waͤre gleich fertig, ſagte er, darauf gab er an W. . . ein Papier, worauf einige lateiniſche Verſe ſtanden, die er ſo eben fuͤr ihn verfertigt hatte. —
Der Eſſigbrauer ſchien Reiſern ein Mann von ohngefaͤhr dreiſſig Jahren zu ſeyn — in jeder Bewegung ſeiner Muskeln, in dem zuckenden Blick ſeiner Augen, ſchien ſich in ſich ſelbſt zu¬ ruͤckgedraͤngte Kraft zu aͤußern. — Gleich der erſte Anblick des Eſſigbrauers floͤßte Reiſern Ehr¬ furcht ein — dieſer aber ſchien ſich erſt gar nicht um ihn zu bekuͤmmern, ſondern ſprach mit W. . . uͤber einige neue Muſikalien und andere Sachen, wobei er kein Wort anders als platdeutſch
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0137"n="127"/>ſo daß ſie eine Art von langen Gaͤngen bildeten,<lb/>
in welchen man ſich verlieren konnte. — Wenn<lb/>
man hier ſprach, ſo ſchallte es dumpf wieder. —<lb/>
Da nun hier niemand zu ſehen war, ſo fing<lb/>
W. . . an zu rufen <hirendition="#aq">ubi?</hi>— und eine Stimme in<lb/>
der Ferne antwortete <hirendition="#aq">hic!</hi>—ſie gingen darauf<lb/>
in das eigentliche Brauhaus, dicht neben dem<lb/>
Revier, wo die Faͤſſer ſtanden, und der Eſſig¬<lb/>
brauer, in ſeinem weiſſen Kamiſol, und blauen<lb/>
Schuͤrze, mit aufgeſtreiften Armen, ſtand am<lb/>
Fenſter und ſchrieb — er waͤre gleich fertig, ſagte<lb/>
er, darauf gab er an W. . . ein Papier, worauf<lb/>
einige lateiniſche Verſe ſtanden, die er ſo eben<lb/>
fuͤr ihn verfertigt hatte. —</p><lb/><p>Der Eſſigbrauer ſchien Reiſern ein Mann<lb/>
von ohngefaͤhr dreiſſig Jahren zu ſeyn — in jeder<lb/>
Bewegung ſeiner Muskeln, in dem zuckenden<lb/>
Blick ſeiner Augen, ſchien ſich in ſich ſelbſt zu¬<lb/>
ruͤckgedraͤngte Kraft zu aͤußern. — Gleich der<lb/>
erſte Anblick des Eſſigbrauers floͤßte Reiſern Ehr¬<lb/>
furcht ein — dieſer aber ſchien ſich erſt gar nicht<lb/>
um ihn zu bekuͤmmern, ſondern ſprach mit W. . .<lb/>
uͤber einige neue Muſikalien und andere Sachen,<lb/>
wobei er kein Wort anders als <hirendition="#fr">platdeutſch</hi><lb/></p></body></text></TEI>
[127/0137]
ſo daß ſie eine Art von langen Gaͤngen bildeten,
in welchen man ſich verlieren konnte. — Wenn
man hier ſprach, ſo ſchallte es dumpf wieder. —
Da nun hier niemand zu ſehen war, ſo fing
W. . . an zu rufen ubi? — und eine Stimme in
der Ferne antwortete hic! — ſie gingen darauf
in das eigentliche Brauhaus, dicht neben dem
Revier, wo die Faͤſſer ſtanden, und der Eſſig¬
brauer, in ſeinem weiſſen Kamiſol, und blauen
Schuͤrze, mit aufgeſtreiften Armen, ſtand am
Fenſter und ſchrieb — er waͤre gleich fertig, ſagte
er, darauf gab er an W. . . ein Papier, worauf
einige lateiniſche Verſe ſtanden, die er ſo eben
fuͤr ihn verfertigt hatte. —
Der Eſſigbrauer ſchien Reiſern ein Mann
von ohngefaͤhr dreiſſig Jahren zu ſeyn — in jeder
Bewegung ſeiner Muskeln, in dem zuckenden
Blick ſeiner Augen, ſchien ſich in ſich ſelbſt zu¬
ruͤckgedraͤngte Kraft zu aͤußern. — Gleich der
erſte Anblick des Eſſigbrauers floͤßte Reiſern Ehr¬
furcht ein — dieſer aber ſchien ſich erſt gar nicht
um ihn zu bekuͤmmern, ſondern ſprach mit W. . .
uͤber einige neue Muſikalien und andere Sachen,
wobei er kein Wort anders als platdeutſch
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/137>, abgerufen am 22.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.