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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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sprach, und sich doch dabei so richtig und edel
ausdrückte, daß selbst das gröbste platdeutsch in
seinem Munde einen gewissen Reitz gewann, der
verursachte, daß man mit Vergnügen und Be¬
wunderung, wenn er sprach, an seinen Lippen
hing, wie Reiser nachher oft erfahren hat, wenn
dieser Essigbrauer zwischen seinen Fässern Weis¬
heit lehrte. --

Weil es schon ein ziemlich kalter Herbstabend
war, so führte der Essigbrauer seine beiden Gä¬
ste in seinen geheizten Prunksaal, wo die langen
Reihen Fässer standen, und wo er ihnen eine Art
von süßem sehr wohlschmeckenden Bier vorsetzte,
wobei denn das Gespräch allgemein wurde; und
da die Rede auf einem gemeinschaftlichen Be¬
kannten, einen alten Mann fiel, der sehr viel
Drollichtes und Sonderbares an sich hatte, fing
der Essigbrauer an, den ganzen Charakter dieses
Mannes mit Sternischer Laune bis auf das
kleinste Detail zu schildern. -- Hernach laß er
etwas aus dem Tom Jones mit solchem Ausdruck
und einer so wahren und richtigen Deklamation
vor, daß Reiser nicht leicht irgendwo eine bessere
Unterhaltung gefunden hatte, und dem jungen

W...

ſprach, und ſich doch dabei ſo richtig und edel
ausdruͤckte, daß ſelbſt das groͤbſte platdeutſch in
ſeinem Munde einen gewiſſen Reitz gewann, der
verurſachte, daß man mit Vergnuͤgen und Be¬
wunderung, wenn er ſprach, an ſeinen Lippen
hing, wie Reiſer nachher oft erfahren hat, wenn
dieſer Eſſigbrauer zwiſchen ſeinen Faͤſſern Weis¬
heit lehrte. —

Weil es ſchon ein ziemlich kalter Herbſtabend
war, ſo fuͤhrte der Eſſigbrauer ſeine beiden Gaͤ¬
ſte in ſeinen geheizten Prunkſaal, wo die langen
Reihen Faͤſſer ſtanden, und wo er ihnen eine Art
von ſuͤßem ſehr wohlſchmeckenden Bier vorſetzte,
wobei denn das Geſpraͤch allgemein wurde; und
da die Rede auf einem gemeinſchaftlichen Be¬
kannten, einen alten Mann fiel, der ſehr viel
Drollichtes und Sonderbares an ſich hatte, fing
der Eſſigbrauer an, den ganzen Charakter dieſes
Mannes mit Sterniſcher Laune bis auf das
kleinſte Detail zu ſchildern. — Hernach laß er
etwas aus dem Tom Jones mit ſolchem Ausdruck
und einer ſo wahren und richtigen Deklamation
vor, daß Reiſer nicht leicht irgendwo eine beſſere
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[128/0138] ſprach, und ſich doch dabei ſo richtig und edel ausdruͤckte, daß ſelbſt das groͤbſte platdeutſch in ſeinem Munde einen gewiſſen Reitz gewann, der verurſachte, daß man mit Vergnuͤgen und Be¬ wunderung, wenn er ſprach, an ſeinen Lippen hing, wie Reiſer nachher oft erfahren hat, wenn dieſer Eſſigbrauer zwiſchen ſeinen Faͤſſern Weis¬ heit lehrte. — Weil es ſchon ein ziemlich kalter Herbſtabend war, ſo fuͤhrte der Eſſigbrauer ſeine beiden Gaͤ¬ ſte in ſeinen geheizten Prunkſaal, wo die langen Reihen Faͤſſer ſtanden, und wo er ihnen eine Art von ſuͤßem ſehr wohlſchmeckenden Bier vorſetzte, wobei denn das Geſpraͤch allgemein wurde; und da die Rede auf einem gemeinſchaftlichen Be¬ kannten, einen alten Mann fiel, der ſehr viel Drollichtes und Sonderbares an ſich hatte, fing der Eſſigbrauer an, den ganzen Charakter dieſes Mannes mit Sterniſcher Laune bis auf das kleinſte Detail zu ſchildern. — Hernach laß er etwas aus dem Tom Jones mit ſolchem Ausdruck und einer ſo wahren und richtigen Deklamation vor, daß Reiſer nicht leicht irgendwo eine beſſere Unterhaltung gefunden hatte, und dem jungen W...

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/138>, abgerufen am 27.11.2024.