Mädchen in zerlumpten Kleidern ohngefähr in sei¬ nem Alter, das voll Verwunderung über das schö¬ ne Stück Spielzeug ausrief: Ach, Herr Gott, wie schön! -- Reiser mochte etwa damals sechs bis sieben Jahre alt seyn -- der Ton, des geduldi¬ gen Entbehrens ohngeachtet der höchsten Bewun¬ derung, womit das zerlumpte Mädchen die Worte sagte: Ach Herr Gott, wie schön! drang ihm durch die Seele. --- Das arme Mädchen mußte alle diese Schönheiten so vor sich vorbeitragen se¬ hen, und durfte nicht einmal einen Gedanken daran haben, irgend ein Stück davon zu besitzen. Es war von dem Genuß dieser köstlichen Dinge gleichsam auf immer ausgeschlossen, und doch so nahe dabei -- wie gern wäre er zurückgegangen, und hätte dem zerlumpten Mädchen das kostbare Spielzeug geschenkt, wenn es seine Base gelitten hätte! --- so oft er nachher daran dachte, empfand er eine bittere Reue, daß er es dem Mädchen nicht gleich auf der Stelle gegeben hatte. Eine solche Art von mitleidsvoller Wehmuth war es auch, die Reiser empfand, da er sich ausschließungsweise mit den Vorzügen in der Gunst des Pastor M. . . beehrt glaubte, wodurch seine Mitschüler, ohne,
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Maͤdchen in zerlumpten Kleidern ohngefaͤhr in ſei¬ nem Alter, das voll Verwunderung uͤber das ſchoͤ¬ ne Stuͤck Spielzeug ausrief: Ach, Herr Gott, wie ſchoͤn! — Reiſer mochte etwa damals ſechs bis ſieben Jahre alt ſeyn — der Ton, des geduldi¬ gen Entbehrens ohngeachtet der hoͤchſten Bewun¬ derung, womit das zerlumpte Maͤdchen die Worte ſagte: Ach Herr Gott, wie ſchoͤn! drang ihm durch die Seele. --- Das arme Maͤdchen mußte alle dieſe Schoͤnheiten ſo vor ſich vorbeitragen ſe¬ hen, und durfte nicht einmal einen Gedanken daran haben, irgend ein Stuͤck davon zu beſitzen. Es war von dem Genuß dieſer koͤſtlichen Dinge gleichſam auf immer ausgeſchloſſen, und doch ſo nahe dabei — wie gern waͤre er zuruͤckgegangen, und haͤtte dem zerlumpten Maͤdchen das koſtbare Spielzeug geſchenkt, wenn es ſeine Baſe gelitten haͤtte! --- ſo oft er nachher daran dachte, empfand er eine bittere Reue, daß er es dem Maͤdchen nicht gleich auf der Stelle gegeben hatte. Eine ſolche Art von mitleidsvoller Wehmuth war es auch, die Reiſer empfand, da er ſich ausſchließungsweiſe mit den Vorzuͤgen in der Gunſt des Paſtor M. . . beehrt glaubte, wodurch ſeine Mitſchuͤler, ohne,
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Maͤdchen in zerlumpten Kleidern ohngefaͤhr in ſei¬
nem Alter, das voll Verwunderung uͤber das ſchoͤ¬
ne Stuͤck Spielzeug ausrief: Ach, Herr Gott,
wie ſchoͤn! — Reiſer mochte etwa damals ſechs
bis ſieben Jahre alt ſeyn — der Ton, des geduldi¬
gen Entbehrens ohngeachtet der hoͤchſten Bewun¬
derung, womit das zerlumpte Maͤdchen die Worte
ſagte: Ach Herr Gott, wie ſchoͤn! drang ihm
durch die Seele. --- Das arme Maͤdchen mußte
alle dieſe Schoͤnheiten ſo vor ſich vorbeitragen ſe¬
hen, und durfte nicht einmal einen Gedanken
daran haben, irgend ein Stuͤck davon zu beſitzen.
Es war von dem Genuß dieſer koͤſtlichen Dinge
gleichſam auf immer ausgeſchloſſen, und doch ſo
nahe dabei — wie gern waͤre er zuruͤckgegangen,
und haͤtte dem zerlumpten Maͤdchen das koſtbare
Spielzeug geſchenkt, wenn es ſeine Baſe gelitten
haͤtte! --- ſo oft er nachher daran dachte, empfand
er eine bittere Reue, daß er es dem Maͤdchen nicht
gleich auf der Stelle gegeben hatte. Eine ſolche
Art von mitleidsvoller Wehmuth war es auch, die
Reiſer empfand, da er ſich ausſchließungsweiſe
mit den Vorzuͤgen in der Gunſt des Paſtor M. . .
beehrt glaubte, wodurch ſeine Mitſchuͤler, ohne,
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/19>, abgerufen am 16.07.2024.
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