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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

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treiben sie's wenigstens nicht unaufhörlich, son¬
dern das Mitleid gewinnt doch endlich über die
Spottsucht die Oberhand.

Aber das war bei Reisern der Fall nicht --
seine Gestalt verfiel von Tage zu Tage, er wank¬
te nur noch wie ein Schatten umher; es war
ihm beinahe alles gleichgültig; sein Muth war
gelähmt -- wo er konnte, suchte er die Einsam¬
keit -- aber das alles erwekte auch kein Fünk¬
chen Mittleid gegen ihn -- So sehr waren aller
Gemüther mit Haß und Verachtung gegen ihn
erfüllt. --

Außer ihm war noch ein gewisser T. . . ein
Gegenstand des Spottes, der zum Theil durch
seine stotternde Sprache Veranlassung dazu
gab. -- Dieser aber schüttete den Spott ab,
wie das Thier mit der unempfindlichen Haut die
Schläge. -- Indem man seiner spottet, so recht¬
fertigte man sich selbst damit, daß ihn der
Spott nicht kränkte -- Bei Reisern nahm man
darauf keine Rücksicht -- dieß erbitterte endlich
sein Herz, und machte ihn zum offenbaren Men¬
schenfeinde.

treiben ſie's wenigſtens nicht unaufhoͤrlich, ſon¬
dern das Mitleid gewinnt doch endlich uͤber die
Spottſucht die Oberhand.

Aber das war bei Reiſern der Fall nicht —
ſeine Geſtalt verfiel von Tage zu Tage, er wank¬
te nur noch wie ein Schatten umher; es war
ihm beinahe alles gleichguͤltig; ſein Muth war
gelaͤhmt — wo er konnte, ſuchte er die Einſam¬
keit — aber das alles erwekte auch kein Fuͤnk¬
chen Mittleid gegen ihn — So ſehr waren aller
Gemuͤther mit Haß und Verachtung gegen ihn
erfuͤllt. —

Außer ihm war noch ein gewiſſer T. . . ein
Gegenſtand des Spottes, der zum Theil durch
ſeine ſtotternde Sprache Veranlaſſung dazu
gab. — Dieſer aber ſchuͤttete den Spott ab,
wie das Thier mit der unempfindlichen Haut die
Schlaͤge. — Indem man ſeiner ſpottet, ſo recht¬
fertigte man ſich ſelbſt damit, daß ihn der
Spott nicht kraͤnkte — Bei Reiſern nahm man
darauf keine Ruͤckſicht — dieß erbitterte endlich
ſein Herz, und machte ihn zum offenbaren Men¬
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[128/0138] treiben ſie's wenigſtens nicht unaufhoͤrlich, ſon¬ dern das Mitleid gewinnt doch endlich uͤber die Spottſucht die Oberhand. Aber das war bei Reiſern der Fall nicht — ſeine Geſtalt verfiel von Tage zu Tage, er wank¬ te nur noch wie ein Schatten umher; es war ihm beinahe alles gleichguͤltig; ſein Muth war gelaͤhmt — wo er konnte, ſuchte er die Einſam¬ keit — aber das alles erwekte auch kein Fuͤnk¬ chen Mittleid gegen ihn — So ſehr waren aller Gemuͤther mit Haß und Verachtung gegen ihn erfuͤllt. — Außer ihm war noch ein gewiſſer T. . . ein Gegenſtand des Spottes, der zum Theil durch ſeine ſtotternde Sprache Veranlaſſung dazu gab. — Dieſer aber ſchuͤttete den Spott ab, wie das Thier mit der unempfindlichen Haut die Schlaͤge. — Indem man ſeiner ſpottet, ſo recht¬ fertigte man ſich ſelbſt damit, daß ihn der Spott nicht kraͤnkte — Bei Reiſern nahm man darauf keine Ruͤckſicht — dieß erbitterte endlich ſein Herz, und machte ihn zum offenbaren Men¬ ſchenfeinde.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/138>, abgerufen am 24.11.2024.