Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786.

Bild:
<< vorherige Seite

Guion dazu singen. -- Sie unterredeten sich
nun auch über die Lehren der Mad. Guion, und
Reiser der sich in seinem Kopfe schon eine Art
von Mataphisik gebildet hatte, die nahe an den
Spinozismus grenzte, traf mit seinem Vater oft
wunderbar zusammen, wenn sie von dem All der
Gottheit und dem Nichts der Kreatur, das die
Madame Guion lehrte, sprachen. Sie glaubten
sich einander zu verstehen, und Reiser empfand
ein unendliches Vergnügen in diesen Unterredun¬
gen mit seinem Vater, denn es war ihm schmei¬
chelhaft, daß sich sein Vater, der ihn sonst nur
für einen dummen Jungen zn halten schien, nun
sebst über dergleichen erhabne Gegenstände mit
ihm unterredete. Dann besuchten sie den Predi¬
ger und die Honorationen des Orts, wo Reiser
allenthalben mit ins Gespräch gezogen wurde,
und sich auch, weil ihm diese Behandlung Selbst¬
zutrauen einflößte, dabei ganz gut nahm. --
Die Nachbaren seiner Eltern, und wer sonst hin¬
kam, waren alle aufmerksam auf den Sohn des
* * schreibers, den der Prinz in H... studiren
ließe -- Die reine ungetrübte Freude, die Rei¬
ser in diesen wenigen Tagen genoß, verbunden

G 5

Guion dazu ſingen. — Sie unterredeten ſich
nun auch uͤber die Lehren der Mad. Guion, und
Reiſer der ſich in ſeinem Kopfe ſchon eine Art
von Mataphiſik gebildet hatte, die nahe an den
Spinozismus grenzte, traf mit ſeinem Vater oft
wunderbar zuſammen, wenn ſie von dem All der
Gottheit und dem Nichts der Kreatur, das die
Madame Guion lehrte, ſprachen. Sie glaubten
ſich einander zu verſtehen, und Reiſer empfand
ein unendliches Vergnuͤgen in dieſen Unterredun¬
gen mit ſeinem Vater, denn es war ihm ſchmei¬
chelhaft, daß ſich ſein Vater, der ihn ſonſt nur
fuͤr einen dummen Jungen zn halten ſchien, nun
ſebſt uͤber dergleichen erhabne Gegenſtaͤnde mit
ihm unterredete. Dann beſuchten ſie den Predi¬
ger und die Honorationen des Orts, wo Reiſer
allenthalben mit ins Geſpraͤch gezogen wurde,
und ſich auch, weil ihm dieſe Behandlung Selbſt¬
zutrauen einfloͤßte, dabei ganz gut nahm. —
Die Nachbaren ſeiner Eltern, und wer ſonſt hin¬
kam, waren alle aufmerkſam auf den Sohn des
* * ſchreibers, den der Prinz in H... ſtudiren
ließe — Die reine ungetruͤbte Freude, die Rei¬
ſer in dieſen wenigen Tagen genoß, verbunden

G 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0115" n="105"/>
Guion dazu &#x017F;ingen. &#x2014; Sie unterredeten &#x017F;ich<lb/>
nun auch u&#x0364;ber die Lehren der Mad. Guion, und<lb/>
Rei&#x017F;er der &#x017F;ich in &#x017F;einem Kopfe &#x017F;chon eine Art<lb/>
von Mataphi&#x017F;ik gebildet hatte, die nahe an den<lb/>
Spinozismus grenzte, traf mit &#x017F;einem Vater oft<lb/>
wunderbar zu&#x017F;ammen, wenn &#x017F;ie von dem All der<lb/>
Gottheit und dem Nichts der Kreatur, das die<lb/>
Madame Guion lehrte, &#x017F;prachen. Sie glaubten<lb/>
&#x017F;ich einander zu ver&#x017F;tehen, und Rei&#x017F;er empfand<lb/>
ein unendliches Vergnu&#x0364;gen in die&#x017F;en Unterredun¬<lb/>
gen mit &#x017F;einem Vater, denn es war ihm &#x017F;chmei¬<lb/>
chelhaft, daß &#x017F;ich &#x017F;ein Vater, der ihn &#x017F;on&#x017F;t nur<lb/>
fu&#x0364;r einen dummen Jungen zn halten &#x017F;chien, nun<lb/>
&#x017F;eb&#x017F;t u&#x0364;ber dergleichen erhabne Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde mit<lb/>
ihm unterredete. Dann be&#x017F;uchten &#x017F;ie den Predi¬<lb/>
ger und die Honorationen des Orts, wo Rei&#x017F;er<lb/>
allenthalben mit ins Ge&#x017F;pra&#x0364;ch gezogen wurde,<lb/>
und &#x017F;ich auch, weil ihm die&#x017F;e Behandlung Selb&#x017F;<lb/>
zutrauen einflo&#x0364;ßte, dabei ganz gut nahm. &#x2014;<lb/>
Die Nachbaren &#x017F;einer Eltern, und wer &#x017F;on&#x017F;t hin¬<lb/>
kam, waren alle aufmerk&#x017F;am auf den Sohn des<lb/>
* * &#x017F;chreibers, den der Prinz in H... &#x017F;tudiren<lb/>
ließe &#x2014; Die reine ungetru&#x0364;bte Freude, die Rei¬<lb/>
&#x017F;er in die&#x017F;en wenigen Tagen genoß, verbunden<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">G 5<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[105/0115] Guion dazu ſingen. — Sie unterredeten ſich nun auch uͤber die Lehren der Mad. Guion, und Reiſer der ſich in ſeinem Kopfe ſchon eine Art von Mataphiſik gebildet hatte, die nahe an den Spinozismus grenzte, traf mit ſeinem Vater oft wunderbar zuſammen, wenn ſie von dem All der Gottheit und dem Nichts der Kreatur, das die Madame Guion lehrte, ſprachen. Sie glaubten ſich einander zu verſtehen, und Reiſer empfand ein unendliches Vergnuͤgen in dieſen Unterredun¬ gen mit ſeinem Vater, denn es war ihm ſchmei¬ chelhaft, daß ſich ſein Vater, der ihn ſonſt nur fuͤr einen dummen Jungen zn halten ſchien, nun ſebſt uͤber dergleichen erhabne Gegenſtaͤnde mit ihm unterredete. Dann beſuchten ſie den Predi¬ ger und die Honorationen des Orts, wo Reiſer allenthalben mit ins Geſpraͤch gezogen wurde, und ſich auch, weil ihm dieſe Behandlung Selbſt¬ zutrauen einfloͤßte, dabei ganz gut nahm. — Die Nachbaren ſeiner Eltern, und wer ſonſt hin¬ kam, waren alle aufmerkſam auf den Sohn des * * ſchreibers, den der Prinz in H... ſtudiren ließe — Die reine ungetruͤbte Freude, die Rei¬ ſer in dieſen wenigen Tagen genoß, verbunden G 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/115
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 2. Berlin, 1786, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser02_1786/115>, abgerufen am 24.11.2024.