Alsdann bediente er sich dessen Bibliothek, die größtentheils aus mystischen Büchern be¬ stand, und las viele davon von Anfang bis zu Ende durch. Auch gab er dem alten Manne oft Rechenschaft von seinen Progressen im Latei¬ nischen, und von den Ausarbeitungen bei seinem Schreibmeister. So brachte Anton ein paar Monate ganz ungewöhnlich glücklich zu.
Aber welch ein Donnerschlag war es für Anton, als ihn beinahe zu gleicher Zeit die schreckliche Ankündigung geschahe, daß noch mit diesem Monate seine lateinische Privatstunde aufhören, und er zugleich in eine andre Schreib¬ schule geschickt werden solle.
Thränen und Bitten halfen nichts, der Aus¬ spruch war gethan. Vierzehn Tage wußte es Anton vorher, daß er die lateinische Schule ver¬ lassen sollte, und je höher er nun rückte, desto größer ward sein Schmerz.
Er griff also zu einem Mittel, sich den Ab¬ schied aus dieser Schule leichter zu machen, das man einem Knaben von seinem Alter kaum hätte zutrauen sollen. Anstatt, daß er sich bemühete, weiter heraufzukommen, that er das Gegentheil,
Alsdann bediente er ſich deſſen Bibliothek, die groͤßtentheils aus myſtiſchen Buͤchern be¬ ſtand, und las viele davon von Anfang bis zu Ende durch. Auch gab er dem alten Manne oft Rechenſchaft von ſeinen Progreſſen im Latei¬ niſchen, und von den Ausarbeitungen bei ſeinem Schreibmeiſter. So brachte Anton ein paar Monate ganz ungewoͤhnlich gluͤcklich zu.
Aber welch ein Donnerſchlag war es fuͤr Anton, als ihn beinahe zu gleicher Zeit die ſchreckliche Ankuͤndigung geſchahe, daß noch mit dieſem Monate ſeine lateiniſche Privatſtunde aufhoͤren, und er zugleich in eine andre Schreib¬ ſchule geſchickt werden ſolle.
Thraͤnen und Bitten halfen nichts, der Aus¬ ſpruch war gethan. Vierzehn Tage wußte es Anton vorher, daß er die lateiniſche Schule ver¬ laſſen ſollte, und je hoͤher er nun ruͤckte, deſto groͤßer ward ſein Schmerz.
Er griff alſo zu einem Mittel, ſich den Ab¬ ſchied aus dieſer Schule leichter zu machen, das man einem Knaben von ſeinem Alter kaum haͤtte zutrauen ſollen. Anſtatt, daß er ſich bemuͤhete, weiter heraufzukommen, that er das Gegentheil,
<TEI><text><body><pbfacs="#f0076"n="66"/><p>Alsdann bediente er ſich deſſen Bibliothek,<lb/>
die groͤßtentheils aus myſtiſchen Buͤchern be¬<lb/>ſtand, und las viele davon von Anfang bis zu<lb/>
Ende durch. Auch gab er dem alten Manne<lb/>
oft Rechenſchaft von ſeinen Progreſſen im Latei¬<lb/>
niſchen, und von den Ausarbeitungen bei ſeinem<lb/>
Schreibmeiſter. So brachte Anton ein paar<lb/>
Monate ganz ungewoͤhnlich gluͤcklich zu.</p><lb/><p>Aber welch ein Donnerſchlag war es fuͤr<lb/>
Anton, als ihn beinahe zu gleicher Zeit die<lb/>ſchreckliche Ankuͤndigung geſchahe, daß noch mit<lb/>
dieſem Monate ſeine lateiniſche Privatſtunde<lb/>
aufhoͤren, und er zugleich in eine andre Schreib¬<lb/>ſchule geſchickt werden ſolle.</p><lb/><p>Thraͤnen und Bitten halfen nichts, der Aus¬<lb/>ſpruch war gethan. Vierzehn Tage wußte es<lb/>
Anton vorher, daß er die lateiniſche Schule ver¬<lb/>
laſſen ſollte, und je hoͤher er nun ruͤckte, deſto<lb/>
groͤßer ward ſein Schmerz.</p><lb/><p>Er griff alſo zu einem Mittel, ſich den Ab¬<lb/>ſchied aus dieſer Schule leichter zu machen, das<lb/>
man einem Knaben von ſeinem Alter kaum haͤtte<lb/>
zutrauen ſollen. Anſtatt, daß er ſich bemuͤhete,<lb/>
weiter heraufzukommen, that er das Gegentheil,<lb/></p></body></text></TEI>
[66/0076]
Alsdann bediente er ſich deſſen Bibliothek,
die groͤßtentheils aus myſtiſchen Buͤchern be¬
ſtand, und las viele davon von Anfang bis zu
Ende durch. Auch gab er dem alten Manne
oft Rechenſchaft von ſeinen Progreſſen im Latei¬
niſchen, und von den Ausarbeitungen bei ſeinem
Schreibmeiſter. So brachte Anton ein paar
Monate ganz ungewoͤhnlich gluͤcklich zu.
Aber welch ein Donnerſchlag war es fuͤr
Anton, als ihn beinahe zu gleicher Zeit die
ſchreckliche Ankuͤndigung geſchahe, daß noch mit
dieſem Monate ſeine lateiniſche Privatſtunde
aufhoͤren, und er zugleich in eine andre Schreib¬
ſchule geſchickt werden ſolle.
Thraͤnen und Bitten halfen nichts, der Aus¬
ſpruch war gethan. Vierzehn Tage wußte es
Anton vorher, daß er die lateiniſche Schule ver¬
laſſen ſollte, und je hoͤher er nun ruͤckte, deſto
groͤßer ward ſein Schmerz.
Er griff alſo zu einem Mittel, ſich den Ab¬
ſchied aus dieſer Schule leichter zu machen, das
man einem Knaben von ſeinem Alter kaum haͤtte
zutrauen ſollen. Anſtatt, daß er ſich bemuͤhete,
weiter heraufzukommen, that er das Gegentheil,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/76>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.