Am Ende der Woche des Sonnabends wurde immer, nachdem vorher das Lied: Bis hieher hat mich Gott gebracht, gesungen war, von einem der Schüler ein langes Gebet gelesen, -- wenn diß an Anton kam, so war das ein wahres Fest für ihn -- er dachte sich auf der Kanzel, wo er noch während der letzten Verse des Gesanges seine Gedanken sammelte, und nun auf einmal, wie der Pastor P. . . mit aller Fülle der Bered¬ samkeit, in ein brünstiges Gebet ausbrach. -- Seine Deklamation bekam also für einen Schul¬ knaben freilich zu viel Pathos, als daß dieses nicht hätte auffallend seyn sollen. Der Lehrer ließ ihn also nur selten das Gebet lesen. --
Ja es entstand zuletzt sogar eine Art von Neid gegen ihn bei den Lehrern. -- Einer derselben stellte eine Uebung an, wo eine von Hübners biblischen Historien von den Schülern mit eignen Worten mußte wieder erzählt werden. Anton schmückte diese Historie, mit aller seiner Phantasie, auf eine poetische Art aus, und trug sie mit einer Art von rednerischem Schmuck wieder vor -- das
be¬
Am Ende der Woche des Sonnabends wurde immer, nachdem vorher das Lied: Bis hieher hat mich Gott gebracht, geſungen war, von einem der Schuͤler ein langes Gebet geleſen, — wenn diß an Anton kam, ſo war das ein wahres Feſt fuͤr ihn — er dachte ſich auf der Kanzel, wo er noch waͤhrend der letzten Verſe des Geſanges ſeine Gedanken ſammelte, und nun auf einmal, wie der Paſtor P. . . mit aller Fuͤlle der Bered¬ ſamkeit, in ein bruͤnſtiges Gebet ausbrach. — Seine Deklamation bekam alſo fuͤr einen Schul¬ knaben freilich zu viel Pathos, als daß dieſes nicht haͤtte auffallend ſeyn ſollen. Der Lehrer ließ ihn alſo nur ſelten das Gebet leſen. —
Ja es entſtand zuletzt ſogar eine Art von Neid gegen ihn bei den Lehrern. — Einer derſelben ſtellte eine Uebung an, wo eine von Huͤbners bibliſchen Hiſtorien von den Schuͤlern mit eignen Worten mußte wieder erzaͤhlt werden. Anton ſchmuͤckte dieſe Hiſtorie, mit aller ſeiner Phantaſie, auf eine poetiſche Art aus, und trug ſie mit einer Art von redneriſchem Schmuck wieder vor — das
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Am Ende der Woche des Sonnabends wurde
immer, nachdem vorher das Lied: Bis hieher
hat mich Gott gebracht, geſungen war, von
einem der Schuͤler ein langes Gebet geleſen, —
wenn diß an Anton kam, ſo war das ein wahres
Feſt fuͤr ihn — er dachte ſich auf der Kanzel, wo
er noch waͤhrend der letzten Verſe des Geſanges
ſeine Gedanken ſammelte, und nun auf einmal,
wie der Paſtor P. . . mit aller Fuͤlle der Bered¬
ſamkeit, in ein bruͤnſtiges Gebet ausbrach. —
Seine Deklamation bekam alſo fuͤr einen Schul¬
knaben freilich zu viel Pathos, als daß dieſes nicht
haͤtte auffallend ſeyn ſollen. Der Lehrer ließ ihn
alſo nur ſelten das Gebet leſen. —
Ja es entſtand zuletzt ſogar eine Art von Neid
gegen ihn bei den Lehrern. — Einer derſelben
ſtellte eine Uebung an, wo eine von Huͤbners
bibliſchen Hiſtorien von den Schuͤlern mit eignen
Worten mußte wieder erzaͤhlt werden. Anton
ſchmuͤckte dieſe Hiſtorie, mit aller ſeiner Phantaſie,
auf eine poetiſche Art aus, und trug ſie mit einer
Art von redneriſchem Schmuck wieder vor — das
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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/190>, abgerufen am 26.06.2024.
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