nichts, als ein Handwerk wolle lernen lassen. Der rauhe R. . . schien über diß Zutrauen gerührt zu seyn, und sprach Anton Muth ein, sich dem Inspektor zu entdecken, der ihm vielleicht noch eher zu seinem Endzweck würde behülflich seyn können. Das war nun eben der Inspector, welcher zu An¬ ton, da er beim Buchstabiren nicht vorschreien wollte, mit der verächtlichsten Miene; "dum¬ mer Knabe!" gesagt hatte, welches er noch nicht vergessen konnte, und also noch lange Be¬ denken trug, einem solchen Manne seine Neigung zum Studiren zu entdecken, der gezweifelt hatte, ob er auch buchstabiren könne.
Indeß nahm die Achtung, worinn sich Anton in dieser Schule setzte, von Tage zu Tage zu, und er erreichte seinen Wunsch, hier der erste zu seyn, und die meiste Aufmerksamkeit auf sich gerichtet zu sehn. Diß war freilich eine solche Nahrung für seine Eitelkeit, daß er sich oft schon im Geist als Prediger erblickte, insbesondere, wenn er schwarze Unterkleider trug -- dann trat er mit einem gra¬ vitätischen Schritt, und ernsthafter, als sonst ein¬ her. --
Am
M 2
nichts, als ein Handwerk wolle lernen laſſen. Der rauhe R. . . ſchien uͤber diß Zutrauen geruͤhrt zu ſeyn, und ſprach Anton Muth ein, ſich dem Inſpektor zu entdecken, der ihm vielleicht noch eher zu ſeinem Endzweck wuͤrde behuͤlflich ſeyn koͤnnen. Das war nun eben der Inſpector, welcher zu An¬ ton, da er beim Buchſtabiren nicht vorſchreien wollte, mit der veraͤchtlichſten Miene; „dum¬ mer Knabe!“ geſagt hatte, welches er noch nicht vergeſſen konnte, und alſo noch lange Be¬ denken trug, einem ſolchen Manne ſeine Neigung zum Studiren zu entdecken, der gezweifelt hatte, ob er auch buchſtabiren koͤnne.
Indeß nahm die Achtung, worinn ſich Anton in dieſer Schule ſetzte, von Tage zu Tage zu, und er erreichte ſeinen Wunſch, hier der erſte zu ſeyn, und die meiſte Aufmerkſamkeit auf ſich gerichtet zu ſehn. Diß war freilich eine ſolche Nahrung fuͤr ſeine Eitelkeit, daß er ſich oft ſchon im Geiſt als Prediger erblickte, insbeſondere, wenn er ſchwarze Unterkleider trug — dann trat er mit einem gra¬ vitaͤtiſchen Schritt, und ernſthafter, als ſonſt ein¬ her. —
Am
M 2
<TEI><text><body><p><pbfacs="#f0189"n="179"/>
nichts, als ein Handwerk wolle lernen laſſen.<lb/>
Der rauhe R. . . ſchien uͤber diß Zutrauen geruͤhrt<lb/>
zu ſeyn, und ſprach Anton Muth ein, ſich dem<lb/>
Inſpektor zu entdecken, der ihm vielleicht noch eher<lb/>
zu ſeinem Endzweck wuͤrde behuͤlflich ſeyn koͤnnen.<lb/>
Das war nun eben der Inſpector, welcher zu An¬<lb/>
ton, da er beim Buchſtabiren nicht vorſchreien<lb/>
wollte, mit der veraͤchtlichſten Miene; „<hirendition="#fr">dum¬<lb/>
mer Knabe!</hi>“ geſagt hatte, welches er noch<lb/>
nicht vergeſſen konnte, und alſo noch lange Be¬<lb/>
denken trug, einem ſolchen Manne ſeine Neigung<lb/>
zum Studiren zu entdecken, der gezweifelt hatte,<lb/>
ob er auch buchſtabiren koͤnne.</p><lb/><p>Indeß nahm die Achtung, worinn ſich Anton<lb/>
in dieſer Schule ſetzte, von Tage zu Tage zu, und er<lb/>
erreichte ſeinen Wunſch, hier der erſte zu ſeyn, und<lb/>
die meiſte Aufmerkſamkeit auf ſich gerichtet zu<lb/>ſehn. Diß war freilich eine ſolche Nahrung fuͤr<lb/>ſeine Eitelkeit, daß er ſich oft ſchon im Geiſt als<lb/>
Prediger erblickte, insbeſondere, wenn er ſchwarze<lb/>
Unterkleider trug — dann trat er mit einem gra¬<lb/>
vitaͤtiſchen Schritt, und ernſthafter, als ſonſt ein¬<lb/>
her. —</p><fwplace="bottom"type="sig">M 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Am</fw><lb/></body></text></TEI>
[179/0189]
nichts, als ein Handwerk wolle lernen laſſen.
Der rauhe R. . . ſchien uͤber diß Zutrauen geruͤhrt
zu ſeyn, und ſprach Anton Muth ein, ſich dem
Inſpektor zu entdecken, der ihm vielleicht noch eher
zu ſeinem Endzweck wuͤrde behuͤlflich ſeyn koͤnnen.
Das war nun eben der Inſpector, welcher zu An¬
ton, da er beim Buchſtabiren nicht vorſchreien
wollte, mit der veraͤchtlichſten Miene; „dum¬
mer Knabe!“ geſagt hatte, welches er noch
nicht vergeſſen konnte, und alſo noch lange Be¬
denken trug, einem ſolchen Manne ſeine Neigung
zum Studiren zu entdecken, der gezweifelt hatte,
ob er auch buchſtabiren koͤnne.
Indeß nahm die Achtung, worinn ſich Anton
in dieſer Schule ſetzte, von Tage zu Tage zu, und er
erreichte ſeinen Wunſch, hier der erſte zu ſeyn, und
die meiſte Aufmerkſamkeit auf ſich gerichtet zu
ſehn. Diß war freilich eine ſolche Nahrung fuͤr
ſeine Eitelkeit, daß er ſich oft ſchon im Geiſt als
Prediger erblickte, insbeſondere, wenn er ſchwarze
Unterkleider trug — dann trat er mit einem gra¬
vitaͤtiſchen Schritt, und ernſthafter, als ſonſt ein¬
her. —
Am
M 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/189>, abgerufen am 17.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.