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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

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essen könne -- und die himmlische Musik war
eben so weit über die irdische Musik erhaben,
als ein schönes Konzert über das Geleier eines
Dudelsacks, oder über das Tüten eines Nacht¬
wächterhorns.

Und was ihm für Ehre im Himmel wieder¬
fahren war, davon konnte er nicht genug
rühmen.

In Ermangelung besserer Nahrung mußte
sich nun Antons Seele mit dieser losen Speise
begnügen, und wenigstens wurde doch seine Ein¬
bildungskraft dadurch beschäftigt, -- sein Ver¬
stand blieb gleichsam neutral dabei -- er glaubte
es weder, noch zweifelte er daran; er stellte sich
das alles bloß lebhaft vor.

Indeß ging jetzt L. . .s Unwillen und Haß
gegen ihn häufig bis zu Scheltworten und
Schlägen; er verbitterte ihm sein Leben auf die
grausamste Weise; er ließ ihn die niedrigensten
und demüthigendsten Arbeiten thun. -- Nichts
aber war für Anton kränkender, als wie er zum
erstenmale in seinem Leben, eine Last auf dem
Rücken
, und zwar einen Tragkorb mit Hüten be¬
packt, über die öffentliche Straße tragen mußte,

in¬

eſſen koͤnne — und die himmliſche Muſik war
eben ſo weit uͤber die irdiſche Muſik erhaben,
als ein ſchoͤnes Konzert uͤber das Geleier eines
Dudelſacks, oder uͤber das Tuͤten eines Nacht¬
waͤchterhorns.

Und was ihm fuͤr Ehre im Himmel wieder¬
fahren war, davon konnte er nicht genug
ruͤhmen.

In Ermangelung beſſerer Nahrung mußte
ſich nun Antons Seele mit dieſer loſen Speiſe
begnuͤgen, und wenigſtens wurde doch ſeine Ein¬
bildungskraft dadurch beſchaͤftigt, — ſein Ver¬
ſtand blieb gleichſam neutral dabei — er glaubte
es weder, noch zweifelte er daran; er ſtellte ſich
das alles bloß lebhaft vor.

Indeß ging jetzt L. . .s Unwillen und Haß
gegen ihn haͤufig bis zu Scheltworten und
Schlaͤgen; er verbitterte ihm ſein Leben auf die
grauſamſte Weiſe; er ließ ihn die niedrigenſten
und demuͤthigendſten Arbeiten thun. — Nichts
aber war fuͤr Anton kraͤnkender, als wie er zum
erſtenmale in ſeinem Leben, eine Laſt auf dem
Ruͤcken
, und zwar einen Tragkorb mit Huͤten be¬
packt, uͤber die oͤffentliche Straße tragen mußte,

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[156/0166] eſſen koͤnne — und die himmliſche Muſik war eben ſo weit uͤber die irdiſche Muſik erhaben, als ein ſchoͤnes Konzert uͤber das Geleier eines Dudelſacks, oder uͤber das Tuͤten eines Nacht¬ waͤchterhorns. Und was ihm fuͤr Ehre im Himmel wieder¬ fahren war, davon konnte er nicht genug ruͤhmen. In Ermangelung beſſerer Nahrung mußte ſich nun Antons Seele mit dieſer loſen Speiſe begnuͤgen, und wenigſtens wurde doch ſeine Ein¬ bildungskraft dadurch beſchaͤftigt, — ſein Ver¬ ſtand blieb gleichſam neutral dabei — er glaubte es weder, noch zweifelte er daran; er ſtellte ſich das alles bloß lebhaft vor. Indeß ging jetzt L. . .s Unwillen und Haß gegen ihn haͤufig bis zu Scheltworten und Schlaͤgen; er verbitterte ihm ſein Leben auf die grauſamſte Weiſe; er ließ ihn die niedrigenſten und demuͤthigendſten Arbeiten thun. — Nichts aber war fuͤr Anton kraͤnkender, als wie er zum erſtenmale in ſeinem Leben, eine Laſt auf dem Ruͤcken, und zwar einen Tragkorb mit Huͤten be¬ packt, uͤber die oͤffentliche Straße tragen mußte, in¬

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 156. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/166>, abgerufen am 23.11.2024.