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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

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Als die Vormittagspredigt vorbei war, so
war die Reihe an den Pastor P... die Einseg¬
nung beim Abendmahl zu verrichten, welche An¬
ton nun zum erstenmal von ihm hörte. -- Und
nun, in welcher ehrwürdigen Gestalt erschien
er ihm itzt! er stand im Hintergrunde der Kirche
vor dem hohen Altare, und sang die Worte:
Danket dem Herrn, denn er ist freundlich, und
seine Güte währet ewiglich -- mit einer so him¬
melerhebenden Stimme, und einem so mächti¬
gen Ausdruck, daß Anton sich in dem Augen¬
blick in höhere Regionen verzückt glaubte --
auch war ihm dies alles wie etwas, das hinter
einem Vorhange, im Allerheiligsten, geschahe,
wozu sich sein Fuß nicht nahen durfte -- wie be¬
neidete er einen jeden, der zum Altar hinzutreten
und aus den Händen des Pastor P... das
Abendmahl empfangen durfte! -- Ein sehr jun¬
ges Frauenzimmer, die schwarz gekleidet, mit
blassen Wangen, und einer Miene voll himmli¬
scher Andacht zum Altar hinzu trat, machte zu¬
erst auf Antons Herz einen Eindruck, den er
bisher noch nicht gekannt hatte. Er hat dies
junge Frauenzimmer nie wieder gesehen, aber ihr
Bild ist nie in seiner Seele verloschen.

Nun

Als die Vormittagspredigt vorbei war, ſo
war die Reihe an den Paſtor P... die Einſeg¬
nung beim Abendmahl zu verrichten, welche An¬
ton nun zum erſtenmal von ihm hoͤrte. — Und
nun, in welcher ehrwuͤrdigen Geſtalt erſchien
er ihm itzt! er ſtand im Hintergrunde der Kirche
vor dem hohen Altare, und ſang die Worte:
Danket dem Herrn, denn er iſt freundlich, und
ſeine Guͤte waͤhret ewiglich — mit einer ſo him¬
melerhebenden Stimme, und einem ſo maͤchti¬
gen Ausdruck, daß Anton ſich in dem Augen¬
blick in hoͤhere Regionen verzuͤckt glaubte —
auch war ihm dies alles wie etwas, das hinter
einem Vorhange, im Allerheiligſten, geſchahe,
wozu ſich ſein Fuß nicht nahen durfte — wie be¬
neidete er einen jeden, der zum Altar hinzutreten
und aus den Haͤnden des Paſtor P... das
Abendmahl empfangen durfte! — Ein ſehr jun¬
ges Frauenzimmer, die ſchwarz gekleidet, mit
blaſſen Wangen, und einer Miene voll himmli¬
ſcher Andacht zum Altar hinzu trat, machte zu¬
erſt auf Antons Herz einen Eindruck, den er
bisher noch nicht gekannt hatte. Er hat dies
junge Frauenzimmer nie wieder geſehen, aber ihr
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[125/0135] Als die Vormittagspredigt vorbei war, ſo war die Reihe an den Paſtor P... die Einſeg¬ nung beim Abendmahl zu verrichten, welche An¬ ton nun zum erſtenmal von ihm hoͤrte. — Und nun, in welcher ehrwuͤrdigen Geſtalt erſchien er ihm itzt! er ſtand im Hintergrunde der Kirche vor dem hohen Altare, und ſang die Worte: Danket dem Herrn, denn er iſt freundlich, und ſeine Guͤte waͤhret ewiglich — mit einer ſo him¬ melerhebenden Stimme, und einem ſo maͤchti¬ gen Ausdruck, daß Anton ſich in dem Augen¬ blick in hoͤhere Regionen verzuͤckt glaubte — auch war ihm dies alles wie etwas, das hinter einem Vorhange, im Allerheiligſten, geſchahe, wozu ſich ſein Fuß nicht nahen durfte — wie be¬ neidete er einen jeden, der zum Altar hinzutreten und aus den Haͤnden des Paſtor P... das Abendmahl empfangen durfte! — Ein ſehr jun¬ ges Frauenzimmer, die ſchwarz gekleidet, mit blaſſen Wangen, und einer Miene voll himmli¬ ſcher Andacht zum Altar hinzu trat, machte zu¬ erſt auf Antons Herz einen Eindruck, den er bisher noch nicht gekannt hatte. Er hat dies junge Frauenzimmer nie wieder geſehen, aber ihr Bild iſt nie in ſeiner Seele verloſchen. Nun

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/135>, abgerufen am 23.11.2024.