von der Stadt ein Altar errichtet, von welchem man bis zur Stadt einen Wettlauf mit Fackeln hielt. Wer mit brennender Fackel das Ziel er- reichte, trug den Preis davon. Der erste, dessen Fackel unterwegens auslöschte, trat seine Stelle dem Zweiten, dieser die seinige dem Dritten ab, und so fort; wenn alle Fackeln verlöschten, so trug keiner den Sieg davon.
Die Alten liebten in ihren Dichtungen vor- züglich den tragischen Stoff, wozu das Verhältniß der Menschen gegen die Götter, so wie sie es sich dachten, nicht wenig beitrug. Auf die armen Sterblichen wird wenig Rücksicht genommen; sie sind den Göttern oft ein Spiel: ihnen bleibt nichts übrig, als sich der eisernen Nothwendigkeit, und dem unwandelbaren Schicksal zu fügen, dessen Oberherrschaft sich über Götter und Menschen erstreckt.
von der Stadt ein Altar errichtet, von welchem man bis zur Stadt einen Wettlauf mit Fackeln hielt. Wer mit brennender Fackel das Ziel er- reichte, trug den Preis davon. Der erſte, deſſen Fackel unterwegens ausloͤſchte, trat ſeine Stelle dem Zweiten, dieſer die ſeinige dem Dritten ab, und ſo fort; wenn alle Fackeln verloͤſchten, ſo trug keiner den Sieg davon.
Die Alten liebten in ihren Dichtungen vor- zuͤglich den tragiſchen Stoff, wozu das Verhaͤltniß der Menſchen gegen die Goͤtter, ſo wie ſie es ſich dachten, nicht wenig beitrug. Auf die armen Sterblichen wird wenig Ruͤckſicht genommen; ſie ſind den Goͤttern oft ein Spiel: ihnen bleibt nichts uͤbrig, als ſich der eiſernen Nothwendigkeit, und dem unwandelbaren Schickſal zu fuͤgen, deſſen Oberherrſchaft ſich uͤber Goͤtter und Menſchen erſtreckt.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0065"n="43"/>
von der Stadt ein Altar errichtet, von welchem<lb/>
man bis zur Stadt einen Wettlauf mit Fackeln<lb/>
hielt. Wer mit brennender Fackel das Ziel er-<lb/>
reichte, trug den Preis davon. Der erſte, deſſen<lb/>
Fackel unterwegens ausloͤſchte, trat ſeine Stelle<lb/>
dem Zweiten, dieſer die ſeinige dem Dritten ab,<lb/>
und ſo fort; wenn alle Fackeln verloͤſchten, ſo<lb/>
trug keiner den Sieg davon.</p><lb/><p>Die Alten liebten in ihren Dichtungen vor-<lb/>
zuͤglich den tragiſchen Stoff, wozu das Verhaͤltniß<lb/>
der Menſchen gegen die Goͤtter, ſo wie ſie es ſich<lb/>
dachten, nicht wenig beitrug. Auf die armen<lb/>
Sterblichen wird wenig Ruͤckſicht genommen; ſie<lb/>ſind den Goͤttern oft ein Spiel: ihnen bleibt nichts<lb/>
uͤbrig, <hirendition="#fr">als ſich der eiſernen Nothwendigkeit,<lb/>
und dem unwandelbaren Schickſal zu fuͤgen,<lb/>
deſſen Oberherrſchaft ſich uͤber Goͤtter und<lb/>
Menſchen erſtreckt.</hi></p></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></body></text></TEI>
[43/0065]
von der Stadt ein Altar errichtet, von welchem
man bis zur Stadt einen Wettlauf mit Fackeln
hielt. Wer mit brennender Fackel das Ziel er-
reichte, trug den Preis davon. Der erſte, deſſen
Fackel unterwegens ausloͤſchte, trat ſeine Stelle
dem Zweiten, dieſer die ſeinige dem Dritten ab,
und ſo fort; wenn alle Fackeln verloͤſchten, ſo
trug keiner den Sieg davon.
Die Alten liebten in ihren Dichtungen vor-
zuͤglich den tragiſchen Stoff, wozu das Verhaͤltniß
der Menſchen gegen die Goͤtter, ſo wie ſie es ſich
dachten, nicht wenig beitrug. Auf die armen
Sterblichen wird wenig Ruͤckſicht genommen; ſie
ſind den Goͤttern oft ein Spiel: ihnen bleibt nichts
uͤbrig, als ſich der eiſernen Nothwendigkeit,
und dem unwandelbaren Schickſal zu fuͤgen,
deſſen Oberherrſchaft ſich uͤber Goͤtter und
Menſchen erſtreckt.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/65>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.