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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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stalt von Götterhänden bilden, die er mit allen Ga-
ben ausgeschmückt, Pandora nannte, und sandte
sie mit allen verführerischen Reitzen, und mit einer
Büchse, worin das ganze Heer von Uebeln, das
den Menschen drohte, verschlossen war, zum Pro-
metheus, der bald den Betrug erkannte, und dieß
gefährliche Geschenk der Götter ausschlug.

Da konnte Jupiter seinem Zorn nicht länger
Einhalt thun, sondern ließ den Prometheus,
für seine Klugheit zu büßen, an einen Felsen
schmieden; und das Unglück kam demohngeachtet
über die Menschen; denn der unvorsichtige Epime-
theus, des Prometheus Bruder, ließ sich, ob-
gleich gewarnt, durch die Reitze der Pandora
bethören, welche, sobald er sich mit ihr vermählt
hatte, die Büchse eröfnete, woraus sich plötzlich
alles Unheil über die ganze Erde, und über das
Menschengeschlecht verbreitete.

Sie machte schnell den Deckel wieder zu, ehe
noch die Hofnung entschlüpfte, welche, nach Ju-
piters Rathschluß, allein zurück blieb, um einst
noch zu rechter Zeit, den Sterblichen Trost zu ge-
währen. Die verführerischen Reitze zu der sinn-
lichen Lust, brachten also auch nach dieser Dich-
tung zuerst das Unglück über die Menschen. Der
thörichte Epimetheus vereitelte bald die vorsehende
Weisheit des Prometheus. Vernunft und Thor-

ſtalt von Goͤtterhaͤnden bilden, die er mit allen Ga-
ben ausgeſchmuͤckt, Pandora nannte, und ſandte
ſie mit allen verfuͤhreriſchen Reitzen, und mit einer
Buͤchſe, worin das ganze Heer von Uebeln, das
den Menſchen drohte, verſchloſſen war, zum Pro-
metheus, der bald den Betrug erkannte, und dieß
gefaͤhrliche Geſchenk der Goͤtter ausſchlug.

Da konnte Jupiter ſeinem Zorn nicht laͤnger
Einhalt thun, ſondern ließ den Prometheus,
fuͤr ſeine Klugheit zu buͤßen, an einen Felſen
ſchmieden; und das Ungluͤck kam demohngeachtet
uͤber die Menſchen; denn der unvorſichtige Epime-
theus, des Prometheus Bruder, ließ ſich, ob-
gleich gewarnt, durch die Reitze der Pandora
bethoͤren, welche, ſobald er ſich mit ihr vermaͤhlt
hatte, die Buͤchſe eroͤfnete, woraus ſich ploͤtzlich
alles Unheil uͤber die ganze Erde, und uͤber das
Menſchengeſchlecht verbreitete.

Sie machte ſchnell den Deckel wieder zu, ehe
noch die Hofnung entſchluͤpfte, welche, nach Ju-
piters Rathſchluß, allein zuruͤck blieb, um einſt
noch zu rechter Zeit, den Sterblichen Troſt zu ge-
waͤhren. Die verfuͤhreriſchen Reitze zu der ſinn-
lichen Luſt, brachten alſo auch nach dieſer Dich-
tung zuerſt das Ungluͤck uͤber die Menſchen. Der
thoͤrichte Epimetheus vereitelte bald die vorſehende
Weisheit des Prometheus. Vernunft und Thor-

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[38/0060] ſtalt von Goͤtterhaͤnden bilden, die er mit allen Ga- ben ausgeſchmuͤckt, Pandora nannte, und ſandte ſie mit allen verfuͤhreriſchen Reitzen, und mit einer Buͤchſe, worin das ganze Heer von Uebeln, das den Menſchen drohte, verſchloſſen war, zum Pro- metheus, der bald den Betrug erkannte, und dieß gefaͤhrliche Geſchenk der Goͤtter ausſchlug. Da konnte Jupiter ſeinem Zorn nicht laͤnger Einhalt thun, ſondern ließ den Prometheus, fuͤr ſeine Klugheit zu buͤßen, an einen Felſen ſchmieden; und das Ungluͤck kam demohngeachtet uͤber die Menſchen; denn der unvorſichtige Epime- theus, des Prometheus Bruder, ließ ſich, ob- gleich gewarnt, durch die Reitze der Pandora bethoͤren, welche, ſobald er ſich mit ihr vermaͤhlt hatte, die Buͤchſe eroͤfnete, woraus ſich ploͤtzlich alles Unheil uͤber die ganze Erde, und uͤber das Menſchengeſchlecht verbreitete. Sie machte ſchnell den Deckel wieder zu, ehe noch die Hofnung entſchluͤpfte, welche, nach Ju- piters Rathſchluß, allein zuruͤck blieb, um einſt noch zu rechter Zeit, den Sterblichen Troſt zu ge- waͤhren. Die verfuͤhreriſchen Reitze zu der ſinn- lichen Luſt, brachten alſo auch nach dieſer Dich- tung zuerſt das Ungluͤck uͤber die Menſchen. Der thoͤrichte Epimetheus vereitelte bald die vorſehende Weisheit des Prometheus. Vernunft und Thor-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/60>, abgerufen am 01.05.2024.