den sollten, bot sich Theseus freiwillig zum Opfer für sein Vaterland in die Zahl der übrigen Jüng- linge dar, weil er, in Ahndung seiner Helden- kraft, den Minotaurus zu erlegen hoffte.
Vor der Abreise that Theseus dem Apollo ein Gelübde, jährlich zu seinem Tempel ein Schiff mit Opfern und Geschenken nach der Insel Delos zu schicken, wenn ihm sein Unternehmen glückte. Als er nun auch noch das Orakel befragte, gab dieses ihm zur Antwort, er werde dann glücklich seyn, wenn er die Liebe zur Führerin wählte. --
Mit seinem Vater traf Theseus noch vorher die Abrede, daß, bei der Rückkehr des Schiffes, statt des schwarzen ein weißes Seegel den glückli- chen Ausgang des Unternehmens ihm verkündigen sollte.
Bald langte nun das Schiff mit günstigem Winde in Kreta an, und kaum waren die über- sandten Opfer dem Minos vorgestellt, als Ariad- ne, des Minos Tochter, ihre Blicke auf den Theseus warf, dessen Heldenwuchs und Schön- heit auf die Königstochter einen unauslöschlichen Eindruck machte.
Nun wählte auch Theseus, nach dem Aus- spruch des Orakels, die Liebe zur Führerin, in- dem er aus den Händen der Ariadne den Knäul empfing, der ihm einen sichern Ausgang aus dem Labyrinth verschafte. Mit dem Faden der Ariadne
den ſollten, bot ſich Theſeus freiwillig zum Opfer fuͤr ſein Vaterland in die Zahl der uͤbrigen Juͤng- linge dar, weil er, in Ahndung ſeiner Helden- kraft, den Minotaurus zu erlegen hoffte.
Vor der Abreiſe that Theſeus dem Apollo ein Geluͤbde, jaͤhrlich zu ſeinem Tempel ein Schiff mit Opfern und Geſchenken nach der Inſel Delos zu ſchicken, wenn ihm ſein Unternehmen gluͤckte. Als er nun auch noch das Orakel befragte, gab dieſes ihm zur Antwort, er werde dann gluͤcklich ſeyn, wenn er die Liebe zur Fuͤhrerin waͤhlte. —
Mit ſeinem Vater traf Theſeus noch vorher die Abrede, daß, bei der Ruͤckkehr des Schiffes, ſtatt des ſchwarzen ein weißes Seegel den gluͤckli- chen Ausgang des Unternehmens ihm verkuͤndigen ſollte.
Bald langte nun das Schiff mit guͤnſtigem Winde in Kreta an, und kaum waren die uͤber- ſandten Opfer dem Minos vorgeſtellt, als Ariad- ne, des Minos Tochter, ihre Blicke auf den Theſeus warf, deſſen Heldenwuchs und Schoͤn- heit auf die Koͤnigstochter einen unausloͤſchlichen Eindruck machte.
Nun waͤhlte auch Theſeus, nach dem Aus- ſpruch des Orakels, die Liebe zur Fuͤhrerin, in- dem er aus den Haͤnden der Ariadne den Knaͤul empfing, der ihm einen ſichern Ausgang aus dem Labyrinth verſchafte. Mit dem Faden der Ariadne
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den ſollten, bot ſich Theſeus freiwillig zum Opfer
fuͤr ſein Vaterland in die Zahl der uͤbrigen Juͤng-
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Vor der Abreiſe that Theſeus dem Apollo ein
Geluͤbde, jaͤhrlich zu ſeinem Tempel ein Schiff mit
Opfern und Geſchenken nach der Inſel Delos zu
ſchicken, wenn ihm ſein Unternehmen gluͤckte.
Als er nun auch noch das Orakel befragte, gab
dieſes ihm zur Antwort, er werde dann gluͤcklich
ſeyn, wenn er die Liebe zur Fuͤhrerin waͤhlte. —
Mit ſeinem Vater traf Theſeus noch vorher
die Abrede, daß, bei der Ruͤckkehr des Schiffes,
ſtatt des ſchwarzen ein weißes Seegel den gluͤckli-
chen Ausgang des Unternehmens ihm verkuͤndigen
ſollte.
Bald langte nun das Schiff mit guͤnſtigem
Winde in Kreta an, und kaum waren die uͤber-
ſandten Opfer dem Minos vorgeſtellt, als Ariad-
ne, des Minos Tochter, ihre Blicke auf den
Theſeus warf, deſſen Heldenwuchs und Schoͤn-
heit auf die Koͤnigstochter einen unausloͤſchlichen
Eindruck machte.
Nun waͤhlte auch Theſeus, nach dem Aus-
ſpruch des Orakels, die Liebe zur Fuͤhrerin, in-
dem er aus den Haͤnden der Ariadne den Knaͤul
empfing, der ihm einen ſichern Ausgang aus dem
Labyrinth verſchafte. Mit dem Faden der Ariadne
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/350>, abgerufen am 29.11.2024.
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