Geschlecht der Erechthiden stammte, gab, nach der Dichtung, den Bildsäulen, die er verfertigte, Leben und Bewegung.
Er war es, der zuerst die dicht aneinander geschloßnen Füße, so wie man sie noch an den ägyptischen Bildsäulen sieht, voneinander trennte, die dicht anliegenden Aerme vom Rumpfe lößte, und seinen Bildsäulen eine fortschreitende Stel- lung gab. -- Was Wunder, daß dieser ganz neue Anblick jeden in Erstaunen setzte, und die Sage veranlaßte, daß die Bildsäulen des Däda- lus sich bewegten.
In diesem ersten Schritt des Dädalus in der Kunst, lag etwas Hohes und Göttliches, das die Verehrung und Bewundrung der Nachwelt auf sich zog, und den Nahmen des Künstlers unsterb- lich machte, der dennoch seinen Ruhm durch eine grausame und schwarze That befleckte.
Unter seiner Anführung bildete sich ein Jüng- ling, Nahmens Talus, ein Sohn der Schwester des Dädalus. -- Als dieser einst mit dem Kinn- backen einer Schlange ein Stück Holz voneinan- derschnitt, kam er auf den Gedanken, die Schärfe der Zähne im Eisen nachzuahmen, und so erfand er die Säge, eines der nützlichsten Werkzeuge, dessen die Menschen sich bedienen. Auch die Er- findung der Töpferscheibe war das Werk des Talus.
Geſchlecht der Erechthiden ſtammte, gab, nach der Dichtung, den Bildſaͤulen, die er verfertigte, Leben und Bewegung.
Er war es, der zuerſt die dicht aneinander geſchloßnen Fuͤße, ſo wie man ſie noch an den aͤgyptiſchen Bildſaͤulen ſieht, voneinander trennte, die dicht anliegenden Aerme vom Rumpfe loͤßte, und ſeinen Bildſaͤulen eine fortſchreitende Stel- lung gab. — Was Wunder, daß dieſer ganz neue Anblick jeden in Erſtaunen ſetzte, und die Sage veranlaßte, daß die Bildſaͤulen des Daͤda- lus ſich bewegten.
In dieſem erſten Schritt des Daͤdalus in der Kunſt, lag etwas Hohes und Goͤttliches, das die Verehrung und Bewundrung der Nachwelt auf ſich zog, und den Nahmen des Kuͤnſtlers unſterb- lich machte, der dennoch ſeinen Ruhm durch eine grauſame und ſchwarze That befleckte.
Unter ſeiner Anfuͤhrung bildete ſich ein Juͤng- ling, Nahmens Talus, ein Sohn der Schweſter des Daͤdalus. — Als dieſer einſt mit dem Kinn- backen einer Schlange ein Stuͤck Holz voneinan- derſchnitt, kam er auf den Gedanken, die Schaͤrfe der Zaͤhne im Eiſen nachzuahmen, und ſo erfand er die Saͤge, eines der nuͤtzlichſten Werkzeuge, deſſen die Menſchen ſich bedienen. Auch die Er- findung der Toͤpferſcheibe war das Werk des Talus.
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Geſchlecht der Erechthiden ſtammte, gab, nach
der Dichtung, den Bildſaͤulen, die er verfertigte,
Leben und Bewegung.
Er war es, der zuerſt die dicht aneinander
geſchloßnen Fuͤße, ſo wie man ſie noch an den
aͤgyptiſchen Bildſaͤulen ſieht, voneinander trennte,
die dicht anliegenden Aerme vom Rumpfe loͤßte,
und ſeinen Bildſaͤulen eine fortſchreitende Stel-
lung gab. — Was Wunder, daß dieſer ganz
neue Anblick jeden in Erſtaunen ſetzte, und die
Sage veranlaßte, daß die Bildſaͤulen des Daͤda-
lus ſich bewegten.
In dieſem erſten Schritt des Daͤdalus in der
Kunſt, lag etwas Hohes und Goͤttliches, das die
Verehrung und Bewundrung der Nachwelt auf
ſich zog, und den Nahmen des Kuͤnſtlers unſterb-
lich machte, der dennoch ſeinen Ruhm durch eine
grauſame und ſchwarze That befleckte.
Unter ſeiner Anfuͤhrung bildete ſich ein Juͤng-
ling, Nahmens Talus, ein Sohn der Schweſter
des Daͤdalus. — Als dieſer einſt mit dem Kinn-
backen einer Schlange ein Stuͤck Holz voneinan-
derſchnitt, kam er auf den Gedanken, die Schaͤrfe
der Zaͤhne im Eiſen nachzuahmen, und ſo erfand
er die Saͤge, eines der nuͤtzlichſten Werkzeuge,
deſſen die Menſchen ſich bedienen. Auch die Er-
findung der Toͤpferſcheibe war das Werk des
Talus.
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/340>, abgerufen am 28.11.2024.
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