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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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Kaum hatte Minos dieß neue Unglück seines
Hauses vernommen, so kam er mit seiner ganzen
Macht, den grausamen und schändlichen Mord
zu rächen. -- Zuerst belagerte er Nisa, wo Ni-
sus,
ein Bruder des Aegeus herrschte. -- Den
Nisus verrieht seine eigne Tochter Scylla, indem
sie eine gelbe Haarlocke, wodurch er unüberwind-
lich war, von seinem Haupte schnitt, und sie dem
Minos brachte, gegen den sie von Liebe entbrannt,
der Pflicht und kindlichen Zärtlichkeit vergaß, und
nach Verdienst bestraft wurde, indem sich Minos
zwar ihres Geschenks bediente, die Verrätherin
aber mit Zorn und Verachtung von sich stieß.

Als Minos die Stadt Nisa, welche nachher
Megara hieß, erobert hatte, rückte er gerade auf
Athen, das schon vorher von Dürre und Hun-
gersnoth gedrückt, der Götter Zorn empfand, und
unter seinem traurigen Schicksal seufzte.

Als zu dem allen noch das Orakel den Aus-
spruch that: die Götter würden nicht aufhören,
Unglück über die Stadt zu schicken, bis dieselbe dem
Minos für den Mord seines Sohnes, erst völlige
Genugthuung geleistet; so schickten sie Abgeordnete
an den König von Kreta, die ihn in flehender Ge-
stalt um Frieden baten.

Die harte Bedingung des Friedens war, daß
die Athenienser dem Minos jährlich sieben der
schönsten Knaben, und sieben der schönsten Mäd-

Kaum hatte Minos dieß neue Ungluͤck ſeines
Hauſes vernommen, ſo kam er mit ſeiner ganzen
Macht, den grauſamen und ſchaͤndlichen Mord
zu raͤchen. — Zuerſt belagerte er Niſa, wo Ni-
ſus,
ein Bruder des Aegeus herrſchte. — Den
Niſus verrieht ſeine eigne Tochter Scylla, indem
ſie eine gelbe Haarlocke, wodurch er unuͤberwind-
lich war, von ſeinem Haupte ſchnitt, und ſie dem
Minos brachte, gegen den ſie von Liebe entbrannt,
der Pflicht und kindlichen Zaͤrtlichkeit vergaß, und
nach Verdienſt beſtraft wurde, indem ſich Minos
zwar ihres Geſchenks bediente, die Verraͤtherin
aber mit Zorn und Verachtung von ſich ſtieß.

Als Minos die Stadt Niſa, welche nachher
Megara hieß, erobert hatte, ruͤckte er gerade auf
Athen, das ſchon vorher von Duͤrre und Hun-
gersnoth gedruͤckt, der Goͤtter Zorn empfand, und
unter ſeinem traurigen Schickſal ſeufzte.

Als zu dem allen noch das Orakel den Aus-
ſpruch that: die Goͤtter wuͤrden nicht aufhoͤren,
Ungluͤck uͤber die Stadt zu ſchicken, bis dieſelbe dem
Minos fuͤr den Mord ſeines Sohnes, erſt voͤllige
Genugthuung geleiſtet; ſo ſchickten ſie Abgeordnete
an den Koͤnig von Kreta, die ihn in flehender Ge-
ſtalt um Frieden baten.

Die harte Bedingung des Friedens war, daß
die Athenienſer dem Minos jaͤhrlich ſieben der
ſchoͤnſten Knaben, und ſieben der ſchoͤnſten Maͤd-

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[282/0338] Kaum hatte Minos dieß neue Ungluͤck ſeines Hauſes vernommen, ſo kam er mit ſeiner ganzen Macht, den grauſamen und ſchaͤndlichen Mord zu raͤchen. — Zuerſt belagerte er Niſa, wo Ni- ſus, ein Bruder des Aegeus herrſchte. — Den Niſus verrieht ſeine eigne Tochter Scylla, indem ſie eine gelbe Haarlocke, wodurch er unuͤberwind- lich war, von ſeinem Haupte ſchnitt, und ſie dem Minos brachte, gegen den ſie von Liebe entbrannt, der Pflicht und kindlichen Zaͤrtlichkeit vergaß, und nach Verdienſt beſtraft wurde, indem ſich Minos zwar ihres Geſchenks bediente, die Verraͤtherin aber mit Zorn und Verachtung von ſich ſtieß. Als Minos die Stadt Niſa, welche nachher Megara hieß, erobert hatte, ruͤckte er gerade auf Athen, das ſchon vorher von Duͤrre und Hun- gersnoth gedruͤckt, der Goͤtter Zorn empfand, und unter ſeinem traurigen Schickſal ſeufzte. Als zu dem allen noch das Orakel den Aus- ſpruch that: die Goͤtter wuͤrden nicht aufhoͤren, Ungluͤck uͤber die Stadt zu ſchicken, bis dieſelbe dem Minos fuͤr den Mord ſeines Sohnes, erſt voͤllige Genugthuung geleiſtet; ſo ſchickten ſie Abgeordnete an den Koͤnig von Kreta, die ihn in flehender Ge- ſtalt um Frieden baten. Die harte Bedingung des Friedens war, daß die Athenienſer dem Minos jaͤhrlich ſieben der ſchoͤnſten Knaben, und ſieben der ſchoͤnſten Maͤd-

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/338>, abgerufen am 27.11.2024.