Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

sie warb, einen Wettlauf an. Dem, welcher
sie besiegen würde, versprach sie sich zu ergeben;
dem Besiegten aber war der Tod bestimmt.

Hippomenes, der diesem gefährlichen Wett-
lauf sich unterzog, flehte die Venus um Beistand
an, die ihm drei goldne Aepfel schenkte, welche
er einen nach dem andern im Laufen fallen ließ,
und als Atalante diese Aepfel, sie bewundernd, auf-
hub, vor ihr das Ziel erreichte. --

Allein Hippomenes vergaß des Dankes, den
er der Venus schuldig war, und Atalante mußte,
da sie mit ihm vermählt war, zugleich auch sein
Vergehen gegen die Göttin büßen, auf deren An-
stiften beide ein Heiligthum der Cybele entweih-
ten, welche mit furchtbarer Gewalt das frevelnde,
durch das Band der Ehe verknüpfte Paar,
in Löwen verwandelte, die unter einem Joch
ihren Wagen zogen.

Minos.

In der Gestalt des muthigen Stiers, worin
die Alten gern, als ein Sinnbild der Stärke, die
Gottheit hüllten, entführte Jupiter die Europa,
des Agenors Tochter, nach Kreta, wo er den Mi-
nos
mit ihr erzeugte, der, seines erhabenen Ur-
sprungs würdig, den Völkern Gesetze gab, und
sie zuerst zu einem Staate durch weise Einrichtung
bildete.

ſie warb, einen Wettlauf an. Dem, welcher
ſie beſiegen wuͤrde, verſprach ſie ſich zu ergeben;
dem Beſiegten aber war der Tod beſtimmt.

Hippomenes, der dieſem gefaͤhrlichen Wett-
lauf ſich unterzog, flehte die Venus um Beiſtand
an, die ihm drei goldne Aepfel ſchenkte, welche
er einen nach dem andern im Laufen fallen ließ,
und als Atalante dieſe Aepfel, ſie bewundernd, auf-
hub, vor ihr das Ziel erreichte. —

Allein Hippomenes vergaß des Dankes, den
er der Venus ſchuldig war, und Atalante mußte,
da ſie mit ihm vermaͤhlt war, zugleich auch ſein
Vergehen gegen die Goͤttin buͤßen, auf deren An-
ſtiften beide ein Heiligthum der Cybele entweih-
ten, welche mit furchtbarer Gewalt das frevelnde,
durch das Band der Ehe verknuͤpfte Paar,
in Loͤwen verwandelte, die unter einem Joch
ihren Wagen zogen.

Minos.

In der Geſtalt des muthigen Stiers, worin
die Alten gern, als ein Sinnbild der Staͤrke, die
Gottheit huͤllten, entfuͤhrte Jupiter die Europa,
des Agenors Tochter, nach Kreta, wo er den Mi-
nos
mit ihr erzeugte, der, ſeines erhabenen Ur-
ſprungs wuͤrdig, den Voͤlkern Geſetze gab, und
ſie zuerſt zu einem Staate durch weiſe Einrichtung
bildete.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0335" n="279"/>
&#x017F;ie warb, einen Wettlauf an. Dem, welcher<lb/>
&#x017F;ie be&#x017F;iegen wu&#x0364;rde, ver&#x017F;prach &#x017F;ie &#x017F;ich zu ergeben;<lb/>
dem Be&#x017F;iegten aber war der Tod be&#x017F;timmt.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Hippomenes,</hi> der die&#x017F;em gefa&#x0364;hrlichen Wett-<lb/>
lauf &#x017F;ich unterzog, flehte die Venus um Bei&#x017F;tand<lb/>
an, die ihm drei goldne Aepfel &#x017F;chenkte, welche<lb/>
er einen nach dem andern im Laufen fallen ließ,<lb/>
und als Atalante die&#x017F;e Aepfel, &#x017F;ie bewundernd, auf-<lb/>
hub, vor ihr das Ziel erreichte. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Allein Hippomenes vergaß des Dankes, den<lb/>
er der Venus &#x017F;chuldig war, und Atalante mußte,<lb/>
da &#x017F;ie mit ihm verma&#x0364;hlt war, zugleich auch &#x017F;ein<lb/>
Vergehen gegen die Go&#x0364;ttin bu&#x0364;ßen, auf deren An-<lb/>
&#x017F;tiften beide ein Heiligthum der <hi rendition="#fr">Cybele</hi> entweih-<lb/>
ten, welche mit furchtbarer Gewalt das frevelnde,<lb/><hi rendition="#fr">durch das Band der Ehe verknu&#x0364;pfte Paar,</hi><lb/>
in Lo&#x0364;wen verwandelte, die <hi rendition="#fr">unter einem Joch</hi><lb/>
ihren Wagen zogen.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Minos</hi>.</hi> </head><lb/>
          <p>In der Ge&#x017F;talt des muthigen Stiers, worin<lb/>
die Alten gern, als ein Sinnbild der Sta&#x0364;rke, die<lb/>
Gottheit hu&#x0364;llten, entfu&#x0364;hrte Jupiter die <hi rendition="#fr">Europa,</hi><lb/>
des Agenors Tochter, nach Kreta, wo er den <hi rendition="#fr">Mi-<lb/>
nos</hi> mit ihr erzeugte, der, &#x017F;eines erhabenen Ur-<lb/>
&#x017F;prungs wu&#x0364;rdig, den Vo&#x0364;lkern Ge&#x017F;etze gab, und<lb/>
&#x017F;ie zuer&#x017F;t zu einem Staate durch wei&#x017F;e Einrichtung<lb/>
bildete.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[279/0335] ſie warb, einen Wettlauf an. Dem, welcher ſie beſiegen wuͤrde, verſprach ſie ſich zu ergeben; dem Beſiegten aber war der Tod beſtimmt. Hippomenes, der dieſem gefaͤhrlichen Wett- lauf ſich unterzog, flehte die Venus um Beiſtand an, die ihm drei goldne Aepfel ſchenkte, welche er einen nach dem andern im Laufen fallen ließ, und als Atalante dieſe Aepfel, ſie bewundernd, auf- hub, vor ihr das Ziel erreichte. — Allein Hippomenes vergaß des Dankes, den er der Venus ſchuldig war, und Atalante mußte, da ſie mit ihm vermaͤhlt war, zugleich auch ſein Vergehen gegen die Goͤttin buͤßen, auf deren An- ſtiften beide ein Heiligthum der Cybele entweih- ten, welche mit furchtbarer Gewalt das frevelnde, durch das Band der Ehe verknuͤpfte Paar, in Loͤwen verwandelte, die unter einem Joch ihren Wagen zogen. Minos. In der Geſtalt des muthigen Stiers, worin die Alten gern, als ein Sinnbild der Staͤrke, die Gottheit huͤllten, entfuͤhrte Jupiter die Europa, des Agenors Tochter, nach Kreta, wo er den Mi- nos mit ihr erzeugte, der, ſeines erhabenen Ur- ſprungs wuͤrdig, den Voͤlkern Geſetze gab, und ſie zuerſt zu einem Staate durch weiſe Einrichtung bildete.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/335
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/335>, abgerufen am 27.11.2024.