den Stiere loßzulassen, stand alles stumm und schweigend auf den Ausgang harrend. --
Wild und schnaubend stürzten die Stiere auf den Helden loß, allein die Zauberkraft, womit Medea ihn begabt hatte, machte sie plötzlich zahm; sie beugten willig ihren Nacken unter das Joch, indem sie Jason an den Pflug spannte, und auf dem Felde des Mars die Furchen zog, worin er die Zähne des Drachen säte.
Als nun plötzlich die Saat der geharnischten Männer aus dem Boden keimte, die alle ihre Schwerdter gegen den Jason kehrten, so warf dieser in ihre Mitte den bezaubernden Kieselstein, der ihre Herzen verhärtete, daß sie mit wechselsei- tiger Wuth sich selbst aufrieben, und mit ihren todten Körpern den Boden deckten, woraus sie kaum erst entsprossen waren.
Ehe noch der König und das Volk von seinem Erstaunen sich erhohlte, eilte Jason schon, den Drachen einzuschläfern; er tödtete das Ungeheuer, und triumphirend hielt seine Rechte das goldne Fließ empor. -- Siegreich kehrte er nun mit seinen Gefährten in sein Schiff zurück. Heimlich in nächtlicher Stille ihres Vaters Haus verlassend, um ihrem Geliebten nachzufolgen, begab sich Medea auf das Schiff, das in der Nacht noch unter Segel ging.
den Stiere loßzulaſſen, ſtand alles ſtumm und ſchweigend auf den Ausgang harrend. —
Wild und ſchnaubend ſtuͤrzten die Stiere auf den Helden loß, allein die Zauberkraft, womit Medea ihn begabt hatte, machte ſie ploͤtzlich zahm; ſie beugten willig ihren Nacken unter das Joch, indem ſie Jaſon an den Pflug ſpannte, und auf dem Felde des Mars die Furchen zog, worin er die Zaͤhne des Drachen ſaͤte.
Als nun ploͤtzlich die Saat der geharniſchten Maͤnner aus dem Boden keimte, die alle ihre Schwerdter gegen den Jaſon kehrten, ſo warf dieſer in ihre Mitte den bezaubernden Kieſelſtein, der ihre Herzen verhaͤrtete, daß ſie mit wechſelſei- tiger Wuth ſich ſelbſt aufrieben, und mit ihren todten Koͤrpern den Boden deckten, woraus ſie kaum erſt entſproſſen waren.
Ehe noch der Koͤnig und das Volk von ſeinem Erſtaunen ſich erhohlte, eilte Jaſon ſchon, den Drachen einzuſchlaͤfern; er toͤdtete das Ungeheuer, und triumphirend hielt ſeine Rechte das goldne Fließ empor. — Siegreich kehrte er nun mit ſeinen Gefaͤhrten in ſein Schiff zuruͤck. Heimlich in naͤchtlicher Stille ihres Vaters Haus verlaſſend, um ihrem Geliebten nachzufolgen, begab ſich Medea auf das Schiff, das in der Nacht noch unter Segel ging.
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den Stiere loßzulaſſen, ſtand alles ſtumm und
ſchweigend auf den Ausgang harrend. —
Wild und ſchnaubend ſtuͤrzten die Stiere auf
den Helden loß, allein die Zauberkraft, womit
Medea ihn begabt hatte, machte ſie ploͤtzlich zahm;
ſie beugten willig ihren Nacken unter das Joch,
indem ſie Jaſon an den Pflug ſpannte, und auf
dem Felde des Mars die Furchen zog, worin
er die Zaͤhne des Drachen ſaͤte.
Als nun ploͤtzlich die Saat der geharniſchten
Maͤnner aus dem Boden keimte, die alle ihre
Schwerdter gegen den Jaſon kehrten, ſo warf
dieſer in ihre Mitte den bezaubernden Kieſelſtein,
der ihre Herzen verhaͤrtete, daß ſie mit wechſelſei-
tiger Wuth ſich ſelbſt aufrieben, und mit ihren
todten Koͤrpern den Boden deckten, woraus ſie
kaum erſt entſproſſen waren.
Ehe noch der Koͤnig und das Volk von ſeinem
Erſtaunen ſich erhohlte, eilte Jaſon ſchon, den
Drachen einzuſchlaͤfern; er toͤdtete das Ungeheuer,
und triumphirend hielt ſeine Rechte das goldne
Fließ empor. — Siegreich kehrte er nun mit ſeinen
Gefaͤhrten in ſein Schiff zuruͤck. Heimlich in
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um ihrem Geliebten nachzufolgen, begab ſich
Medea auf das Schiff, das in der Nacht noch
unter Segel ging.
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/324>, abgerufen am 26.11.2024.
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