Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

Grieche, die Fremdlinge aus seinem Vaterlande
mit offnem Arm aufnahm. Hier starb Tiphys,
der Steuermann der Argo, an dessen Stelle An-
cäus
trat; worauf die weitere Fahrt nach Kolchis
vor sich gieng, wo endlich die geweihte Argo,
nachdem sie lange das Meer durchschnitten, und
manchen Sturm erlitten hatte, an das gewünschte
Ufer stieß.

Allein hier war es, wo die größte Gefahr
dem Jason drohte, wogegen ihn aber auch schon
im Voraus die Gunst der Götter schützte. --

Aeetes nahm die Argonauten nicht unfreund-
lich auf; schrieb aber dem Jason, der das goldne
Fließ begehrte, solche Bedingungen vor, deren
Erfüllung er selbst für unmöglich hielt; weil unter
den Gefahren, die er ausgedacht, der kühnste
Held nothwendig erliegen mußte!

Zuerst sollte Jason, um den Besitz des gold-
nen Fließes sich zu erwerben, zwei flammenath-
mende, dem Vulkan geweihte Stiere an einen
diamantnen Pflugschaar spannen, und reißen da-
mit vier Morgen eines noch nie gepflügten, dem
Mars geweihten Feldes auf. --

Dann sollte er den Rest der Drachenzähne
des Kadmus, welche Aeetes besaß, in die ge-
pflügten Furchen säen, und die geharnischten Män-
ner, die aus der furchtbaren Saat erwachsen wür-
den, alle bis auf einen tödten; und wenn er das

Grieche, die Fremdlinge aus ſeinem Vaterlande
mit offnem Arm aufnahm. Hier ſtarb Tiphys,
der Steuermann der Argo, an deſſen Stelle An-
caͤus
trat; worauf die weitere Fahrt nach Kolchis
vor ſich gieng, wo endlich die geweihte Argo,
nachdem ſie lange das Meer durchſchnitten, und
manchen Sturm erlitten hatte, an das gewuͤnſchte
Ufer ſtieß.

Allein hier war es, wo die groͤßte Gefahr
dem Jaſon drohte, wogegen ihn aber auch ſchon
im Voraus die Gunſt der Goͤtter ſchuͤtzte. —

Aeetes nahm die Argonauten nicht unfreund-
lich auf; ſchrieb aber dem Jaſon, der das goldne
Fließ begehrte, ſolche Bedingungen vor, deren
Erfuͤllung er ſelbſt fuͤr unmoͤglich hielt; weil unter
den Gefahren, die er ausgedacht, der kuͤhnſte
Held nothwendig erliegen mußte!

Zuerſt ſollte Jaſon, um den Beſitz des gold-
nen Fließes ſich zu erwerben, zwei flammenath-
mende, dem Vulkan geweihte Stiere an einen
diamantnen Pflugſchaar ſpannen, und reißen da-
mit vier Morgen eines noch nie gepfluͤgten, dem
Mars geweihten Feldes auf. —

Dann ſollte er den Reſt der Drachenzaͤhne
des Kadmus, welche Aeetes beſaß, in die ge-
pfluͤgten Furchen ſaͤen, und die geharniſchten Maͤn-
ner, die aus der furchtbaren Saat erwachſen wuͤr-
den, alle bis auf einen toͤdten; und wenn er das

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0322" n="268"/>
Grieche, die Fremdlinge aus &#x017F;einem Vaterlande<lb/>
mit offnem Arm aufnahm. Hier &#x017F;tarb Tiphys,<lb/>
der Steuermann der Argo, an de&#x017F;&#x017F;en Stelle <hi rendition="#fr">An-<lb/>
ca&#x0364;us</hi> trat; worauf die weitere Fahrt nach Kolchis<lb/>
vor &#x017F;ich gieng, wo endlich die geweihte <hi rendition="#fr">Argo,</hi><lb/>
nachdem &#x017F;ie lange das Meer durch&#x017F;chnitten, und<lb/>
manchen Sturm erlitten hatte, an das gewu&#x0364;n&#x017F;chte<lb/>
Ufer &#x017F;tieß.</p><lb/>
          <p>Allein hier war es, wo die gro&#x0364;ßte Gefahr<lb/>
dem Ja&#x017F;on drohte, wogegen ihn aber auch &#x017F;chon<lb/>
im Voraus die Gun&#x017F;t der Go&#x0364;tter &#x017F;chu&#x0364;tzte. &#x2014;</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Aeetes</hi> nahm die Argonauten nicht unfreund-<lb/>
lich auf; &#x017F;chrieb aber dem Ja&#x017F;on, der das goldne<lb/>
Fließ begehrte, &#x017F;olche Bedingungen vor, deren<lb/>
Erfu&#x0364;llung er &#x017F;elb&#x017F;t fu&#x0364;r unmo&#x0364;glich hielt; weil unter<lb/>
den Gefahren, die er ausgedacht, der ku&#x0364;hn&#x017F;te<lb/>
Held nothwendig erliegen mußte!</p><lb/>
          <p>Zuer&#x017F;t &#x017F;ollte Ja&#x017F;on, um den Be&#x017F;itz des gold-<lb/>
nen Fließes &#x017F;ich zu erwerben, zwei flammenath-<lb/>
mende, dem Vulkan geweihte Stiere an einen<lb/>
diamantnen Pflug&#x017F;chaar &#x017F;pannen, und reißen da-<lb/>
mit vier Morgen eines noch nie gepflu&#x0364;gten, dem<lb/>
Mars geweihten Feldes auf. &#x2014;</p><lb/>
          <p>Dann &#x017F;ollte er den Re&#x017F;t der Drachenza&#x0364;hne<lb/>
des <hi rendition="#fr">Kadmus,</hi> welche Aeetes be&#x017F;aß, in die ge-<lb/>
pflu&#x0364;gten Furchen &#x017F;a&#x0364;en, und die geharni&#x017F;chten Ma&#x0364;n-<lb/>
ner, die aus der furchtbaren Saat erwach&#x017F;en wu&#x0364;r-<lb/>
den, alle bis auf einen to&#x0364;dten; und wenn er das<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[268/0322] Grieche, die Fremdlinge aus ſeinem Vaterlande mit offnem Arm aufnahm. Hier ſtarb Tiphys, der Steuermann der Argo, an deſſen Stelle An- caͤus trat; worauf die weitere Fahrt nach Kolchis vor ſich gieng, wo endlich die geweihte Argo, nachdem ſie lange das Meer durchſchnitten, und manchen Sturm erlitten hatte, an das gewuͤnſchte Ufer ſtieß. Allein hier war es, wo die groͤßte Gefahr dem Jaſon drohte, wogegen ihn aber auch ſchon im Voraus die Gunſt der Goͤtter ſchuͤtzte. — Aeetes nahm die Argonauten nicht unfreund- lich auf; ſchrieb aber dem Jaſon, der das goldne Fließ begehrte, ſolche Bedingungen vor, deren Erfuͤllung er ſelbſt fuͤr unmoͤglich hielt; weil unter den Gefahren, die er ausgedacht, der kuͤhnſte Held nothwendig erliegen mußte! Zuerſt ſollte Jaſon, um den Beſitz des gold- nen Fließes ſich zu erwerben, zwei flammenath- mende, dem Vulkan geweihte Stiere an einen diamantnen Pflugſchaar ſpannen, und reißen da- mit vier Morgen eines noch nie gepfluͤgten, dem Mars geweihten Feldes auf. — Dann ſollte er den Reſt der Drachenzaͤhne des Kadmus, welche Aeetes beſaß, in die ge- pfluͤgten Furchen ſaͤen, und die geharniſchten Maͤn- ner, die aus der furchtbaren Saat erwachſen wuͤr- den, alle bis auf einen toͤdten; und wenn er das

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/322
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/322>, abgerufen am 09.05.2024.