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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791.

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Alles, was eine schöne Dichtung bedeutet,
liegt ja in ihr selber; sie spiegelt in ihrem gros-
sen oder kleinen Umfange, die Verhältnisse der
Dinge, das Leben und die Schicksale der Men-
schen ab; sie lehrt auch Lebensweisheit, nach
Horazens Ausspruch, besser als Krantor und
Chrysipp.

Aber alles dieses ist den dichterischen
Schönheiten untergeordnet, und nicht der
Hauptendzweck der Poesie; denn eben darum
lehrt sie besser, weil Lehren nicht ihr Zweck ist;
weil die Lehre selbst sich dem Schönen unter-
ordnet, und dadurch Anmuth und Reitz ge-
winnt.

In den mythologischen Dichtungen ist nun
die Lehre freilich so sehr untergeordnet, daß sie
ja nicht darin gesucht werden muß, wenn das
ganze Gewebe dieser Dichtungen uns nicht als
frevelhaft erscheinen soll.

Denn der Mensch ist in diesen poetischen
Darstellungen der höhern Wesen so etwas Un-
tergeordnetes, daß auf ihn überhaupt, und
also auch auf seine moralischen Bedürfnisse we-
nig Rücksicht genommen wird.

Alles, was eine ſchoͤne Dichtung bedeutet,
liegt ja in ihr ſelber; ſie ſpiegelt in ihrem groſ-
ſen oder kleinen Umfange, die Verhaͤltniſſe der
Dinge, das Leben und die Schickſale der Men-
ſchen ab; ſie lehrt auch Lebensweisheit, nach
Horazens Ausſpruch, beſſer als Krantor und
Chryſipp.

Aber alles dieſes iſt den dichteriſchen
Schoͤnheiten untergeordnet, und nicht der
Hauptendzweck der Poeſie; denn eben darum
lehrt ſie beſſer, weil Lehren nicht ihr Zweck iſt;
weil die Lehre ſelbſt ſich dem Schoͤnen unter-
ordnet, und dadurch Anmuth und Reitz ge-
winnt.

In den mythologiſchen Dichtungen iſt nun
die Lehre freilich ſo ſehr untergeordnet, daß ſie
ja nicht darin geſucht werden muß, wenn das
ganze Gewebe dieſer Dichtungen uns nicht als
frevelhaft erſcheinen ſoll.

Denn der Menſch iſt in dieſen poetiſchen
Darſtellungen der hoͤhern Weſen ſo etwas Un-
tergeordnetes, daß auf ihn uͤberhaupt, und
alſo auch auf ſeine moraliſchen Beduͤrfniſſe we-
nig Ruͤckſicht genommen wird.

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[6/0026] Alles, was eine ſchoͤne Dichtung bedeutet, liegt ja in ihr ſelber; ſie ſpiegelt in ihrem groſ- ſen oder kleinen Umfange, die Verhaͤltniſſe der Dinge, das Leben und die Schickſale der Men- ſchen ab; ſie lehrt auch Lebensweisheit, nach Horazens Ausſpruch, beſſer als Krantor und Chryſipp. Aber alles dieſes iſt den dichteriſchen Schoͤnheiten untergeordnet, und nicht der Hauptendzweck der Poeſie; denn eben darum lehrt ſie beſſer, weil Lehren nicht ihr Zweck iſt; weil die Lehre ſelbſt ſich dem Schoͤnen unter- ordnet, und dadurch Anmuth und Reitz ge- winnt. In den mythologiſchen Dichtungen iſt nun die Lehre freilich ſo ſehr untergeordnet, daß ſie ja nicht darin geſucht werden muß, wenn das ganze Gewebe dieſer Dichtungen uns nicht als frevelhaft erſcheinen ſoll. Denn der Menſch iſt in dieſen poetiſchen Darſtellungen der hoͤhern Weſen ſo etwas Un- tergeordnetes, daß auf ihn uͤberhaupt, und alſo auch auf ſeine moraliſchen Beduͤrfniſſe we- nig Ruͤckſicht genommen wird.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/26>, abgerufen am 23.11.2024.