Saft der Beeren des Trunknen Schläfe roth, -- und da nun Silen erwacht, so fordern die Hirten nichts weiter als ein Lied von ihm zum Lösegelde.
Und nun ertönet hohe Weisheit von den Lip- pen, die der Nektartrank der süßen Trauben netzte. -- Er singt der Dinge Entstehung, und ihren wunderbaren Wechsel. -- Die Hirten lau- schen entzückt auf den Gesang, und halten dieses Lied ihrer höchsten Wünsche werth. --
Auch diese schöne Dichtung zeigt, wie die Alten das Komische selber wieder mit Würde zu überkleiden wußten, und einen Vereinigungspunkt für lachenden Scherz und himmlische Hoheit fan- den, der uns entschwunden scheint. -- In Elis in Griechenland hatte Silen einen eigenen Tempel, wo man ihm göttliche Ehre erzeigte. --
Der schalkhaft lächelnde Faun, der boshaft spottende Satyr gehörten mit in das Gefolge des Bachus, worin sich alles vereinigte, was bei jugendlicher Schalkhaftigkeit und frohem Leicht- sinn durch eine höhere Natur, über die Sorgen und Pflichten der Sterblichen erhaben, und durch menschliche Bedürfnisse auf keinen Grad der Mäßigung beschränkt war.
Denn in dem hohen Sinnbilde, welches den frölichen Genuß des Lebens selbst bezeichnet, der über den ganzen Erdkreis sich mittheilend und ver- breitend, keine Grenzen kennt, mußte auch die
Saft der Beeren des Trunknen Schlaͤfe roth, — und da nun Silen erwacht, ſo fordern die Hirten nichts weiter als ein Lied von ihm zum Loͤſegelde.
Und nun ertoͤnet hohe Weisheit von den Lip- pen, die der Nektartrank der ſuͤßen Trauben netzte. — Er ſingt der Dinge Entſtehung, und ihren wunderbaren Wechſel. — Die Hirten lau- ſchen entzuͤckt auf den Geſang, und halten dieſes Lied ihrer hoͤchſten Wuͤnſche werth. —
Auch dieſe ſchoͤne Dichtung zeigt, wie die Alten das Komiſche ſelber wieder mit Wuͤrde zu uͤberkleiden wußten, und einen Vereinigungspunkt fuͤr lachenden Scherz und himmliſche Hoheit fan- den, der uns entſchwunden ſcheint. — In Elis in Griechenland hatte Silen einen eigenen Tempel, wo man ihm goͤttliche Ehre erzeigte. —
Der ſchalkhaft laͤchelnde Faun, der boshaft ſpottende Satyr gehoͤrten mit in das Gefolge des Bachus, worin ſich alles vereinigte, was bei jugendlicher Schalkhaftigkeit und frohem Leicht- ſinn durch eine hoͤhere Natur, uͤber die Sorgen und Pflichten der Sterblichen erhaben, und durch menſchliche Beduͤrfniſſe auf keinen Grad der Maͤßigung beſchraͤnkt war.
Denn in dem hohen Sinnbilde, welches den froͤlichen Genuß des Lebens ſelbſt bezeichnet, der uͤber den ganzen Erdkreis ſich mittheilend und ver- breitend, keine Grenzen kennt, mußte auch die
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Saft der Beeren des Trunknen Schlaͤfe roth, —
und da nun Silen erwacht, ſo fordern die Hirten
nichts weiter als ein Lied von ihm zum Loͤſegelde.
Und nun ertoͤnet hohe Weisheit von den Lip-
pen, die der Nektartrank der ſuͤßen Trauben
netzte. — Er ſingt der Dinge Entſtehung, und
ihren wunderbaren Wechſel. — Die Hirten lau-
ſchen entzuͤckt auf den Geſang, und halten dieſes
Lied ihrer hoͤchſten Wuͤnſche werth. —
Auch dieſe ſchoͤne Dichtung zeigt, wie die
Alten das Komiſche ſelber wieder mit Wuͤrde zu
uͤberkleiden wußten, und einen Vereinigungspunkt
fuͤr lachenden Scherz und himmliſche Hoheit fan-
den, der uns entſchwunden ſcheint. — In Elis
in Griechenland hatte Silen einen eigenen Tempel,
wo man ihm goͤttliche Ehre erzeigte. —
Der ſchalkhaft laͤchelnde Faun, der boshaft
ſpottende Satyr gehoͤrten mit in das Gefolge des
Bachus, worin ſich alles vereinigte, was bei
jugendlicher Schalkhaftigkeit und frohem Leicht-
ſinn durch eine hoͤhere Natur, uͤber die Sorgen
und Pflichten der Sterblichen erhaben, und durch
menſchliche Beduͤrfniſſe auf keinen Grad der
Maͤßigung beſchraͤnkt war.
Denn in dem hohen Sinnbilde, welches den
froͤlichen Genuß des Lebens ſelbſt bezeichnet, der
uͤber den ganzen Erdkreis ſich mittheilend und ver-
breitend, keine Grenzen kennt, mußte auch die
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Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/220>, abgerufen am 23.11.2024.
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