und lebendig wird. -- Da ist die immerwährende Werkstatt der Bildung und Zerstörung; aber auch der Sitz der Wehklage, des Zorns, des Jam- mers. -- Da muß Hektor fallen; -- Hekuba muß ihr Haar zerraufen, -- und Troja ein Raub der Flammen werden. --
Aber der Gipfel des hohen Olymp ragt über die Wolken in den umwölbenden Aether empor. -- Dahin versetzt die Einbildungskraft den Wohnsitz der seeligen Götter, die, selbst über Sorgen und Ungemach erhaben, bei frohem Saitenspiel, den süßen Nektar schlürfen, und lächeln, daß sie der mühebeladenen Sterblichen wegen sich ent- zweien konnten.
So knüpft die Phantasie die menschenähnli- che Gestalt der Götter beständig wieder an ihr himmlisches Urbild an. -- Der Schwan in Ledas Schooße umwölbt im blauen Aether Erde, Meer, und Luft. -- Juno, die Königin, umströmt den Erdkreis in dem zarten durchsichtigen Nebeldunste, worin der Regenbogen mit glänzenden Farben spielt. --
Als Juno sich einst empörte, hing Jupiter in dem Luftkreise, den sie selbst beherrschte, schwere Amboße an ihre Füße. -- Das Hohe und Erha- bene mußte die Schmach des Niederziehens dulden -- und alle Himmlische trauerten bei dem Anblick. --
und lebendig wird. — Da iſt die immerwaͤhrende Werkſtatt der Bildung und Zerſtoͤrung; aber auch der Sitz der Wehklage, des Zorns, des Jam- mers. — Da muß Hektor fallen; — Hekuba muß ihr Haar zerraufen, — und Troja ein Raub der Flammen werden. —
Aber der Gipfel des hohen Olymp ragt uͤber die Wolken in den umwoͤlbenden Aether empor. — Dahin verſetzt die Einbildungskraft den Wohnſitz der ſeeligen Goͤtter, die, ſelbſt uͤber Sorgen und Ungemach erhaben, bei frohem Saitenſpiel, den ſuͤßen Nektar ſchluͤrfen, und laͤcheln, daß ſie der muͤhebeladenen Sterblichen wegen ſich ent- zweien konnten.
So knuͤpft die Phantaſie die menſchenaͤhnli- che Geſtalt der Goͤtter beſtaͤndig wieder an ihr himmliſches Urbild an. — Der Schwan in Ledas Schooße umwoͤlbt im blauen Aether Erde, Meer, und Luft. — Juno, die Koͤnigin, umſtroͤmt den Erdkreis in dem zarten durchſichtigen Nebeldunſte, worin der Regenbogen mit glaͤnzenden Farben ſpielt. —
Als Juno ſich einſt empoͤrte, hing Jupiter in dem Luftkreiſe, den ſie ſelbſt beherrſchte, ſchwere Amboße an ihre Fuͤße. — Das Hohe und Erha- bene mußte die Schmach des Niederziehens dulden — und alle Himmliſche trauerten bei dem Anblick. —
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0135"n="107"/>
und lebendig wird. — Da iſt die immerwaͤhrende<lb/>
Werkſtatt der Bildung und Zerſtoͤrung; aber auch<lb/>
der Sitz der Wehklage, des Zorns, des Jam-<lb/>
mers. — Da muß Hektor fallen; — Hekuba<lb/>
muß ihr Haar zerraufen, — und Troja ein Raub<lb/>
der Flammen werden. —</p><lb/><p>Aber der Gipfel des hohen Olymp ragt uͤber<lb/>
die Wolken in den umwoͤlbenden Aether empor. —<lb/>
Dahin verſetzt die Einbildungskraft den Wohnſitz<lb/>
der <hirendition="#fr">ſeeligen Goͤtter,</hi> die, ſelbſt uͤber Sorgen<lb/>
und Ungemach erhaben, bei frohem Saitenſpiel,<lb/>
den ſuͤßen Nektar ſchluͤrfen, und laͤcheln, daß ſie<lb/>
der muͤhebeladenen Sterblichen wegen ſich ent-<lb/>
zweien konnten.</p><lb/><p>So knuͤpft die Phantaſie die menſchenaͤhnli-<lb/>
che Geſtalt der Goͤtter beſtaͤndig wieder an ihr<lb/>
himmliſches Urbild an. — Der Schwan in Ledas<lb/>
Schooße umwoͤlbt im blauen Aether Erde, Meer,<lb/>
und Luft. — Juno, die Koͤnigin, umſtroͤmt den<lb/>
Erdkreis in dem zarten durchſichtigen Nebeldunſte,<lb/>
worin der Regenbogen mit glaͤnzenden Farben<lb/>ſpielt. —</p><lb/><p>Als Juno ſich einſt empoͤrte, hing Jupiter<lb/>
in dem Luftkreiſe, den ſie ſelbſt beherrſchte, ſchwere<lb/>
Amboße an ihre Fuͤße. — Das Hohe und Erha-<lb/>
bene mußte die <hirendition="#fr">Schmach des Niederziehens</hi><lb/>
dulden — und alle Himmliſche trauerten bei dem<lb/>
Anblick. —</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[107/0135]
und lebendig wird. — Da iſt die immerwaͤhrende
Werkſtatt der Bildung und Zerſtoͤrung; aber auch
der Sitz der Wehklage, des Zorns, des Jam-
mers. — Da muß Hektor fallen; — Hekuba
muß ihr Haar zerraufen, — und Troja ein Raub
der Flammen werden. —
Aber der Gipfel des hohen Olymp ragt uͤber
die Wolken in den umwoͤlbenden Aether empor. —
Dahin verſetzt die Einbildungskraft den Wohnſitz
der ſeeligen Goͤtter, die, ſelbſt uͤber Sorgen
und Ungemach erhaben, bei frohem Saitenſpiel,
den ſuͤßen Nektar ſchluͤrfen, und laͤcheln, daß ſie
der muͤhebeladenen Sterblichen wegen ſich ent-
zweien konnten.
So knuͤpft die Phantaſie die menſchenaͤhnli-
che Geſtalt der Goͤtter beſtaͤndig wieder an ihr
himmliſches Urbild an. — Der Schwan in Ledas
Schooße umwoͤlbt im blauen Aether Erde, Meer,
und Luft. — Juno, die Koͤnigin, umſtroͤmt den
Erdkreis in dem zarten durchſichtigen Nebeldunſte,
worin der Regenbogen mit glaͤnzenden Farben
ſpielt. —
Als Juno ſich einſt empoͤrte, hing Jupiter
in dem Luftkreiſe, den ſie ſelbſt beherrſchte, ſchwere
Amboße an ihre Fuͤße. — Das Hohe und Erha-
bene mußte die Schmach des Niederziehens
dulden — und alle Himmliſche trauerten bei dem
Anblick. —
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Moritz, Karl Philipp: Götterlehre oder mythologische Dichtungen der Alten. Berlin, 1791, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_goetterlehre_1791/135>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.