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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

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schreiben lernen, und sehet nach vier, acht, zehn Jahren ihre Handschriften an: glaubt ihr dann wohl noch viel Aehnlichkeit mit ihrem ehemaligen Schreibemeister zu finden, viel von der Bildung, die einst von ihm ihren Buchstaben ist vorgezeichnet worden? -- Der harte feststehende perpendikuläre Buchstabe des mechanischen Schreibemeisters wird ohnmöglich der Buchstabe des Nervenschwachen, -- des empfindsamen Dichters werden können, trotz alles Unterrichts nicht das harte mechanische der Vorschrift die Handschrift der weichern Mädchen, die sich nach ihr bilden sollen. Der Schreibemeister thut weiter nichts, als daß er die Art die Zeichen zu machen lehrt, wodurch Worte geschrieben werden. Weiter thut er nichts, nicht im Stande ist er bis zur einzigen Nachbildung seines Buchstabens zu tyrannisiren. -- Freilich fällt die Möglichkeit einer Charakterbestimmung ganz weg bei dem Kinde, das jetzt unter der Zucht des Schreibemeisters stehet, oder nur seiner Hand entlaufen ist; so wie der Charakterausdruck des Temperaments in dem ängstlichen Tanze des Kindes nicht möglich ist, ehe es das steife Pasmachen des Tanzmeisters verlernt, und durch Uebung sich von dem Blick auf die Füsse gewöhnt hat. --

"Jeder Buchstabe hat seine bestimmten Gränzen: -- " Wer setzt ihm diese Gränzen, gewiß ihr blos, die ihr mir dieses einwendet. Jch


schreiben lernen, und sehet nach vier, acht, zehn Jahren ihre Handschriften an: glaubt ihr dann wohl noch viel Aehnlichkeit mit ihrem ehemaligen Schreibemeister zu finden, viel von der Bildung, die einst von ihm ihren Buchstaben ist vorgezeichnet worden? — Der harte feststehende perpendikulaͤre Buchstabe des mechanischen Schreibemeisters wird ohnmoͤglich der Buchstabe des Nervenschwachen, — des empfindsamen Dichters werden koͤnnen, trotz alles Unterrichts nicht das harte mechanische der Vorschrift die Handschrift der weichern Maͤdchen, die sich nach ihr bilden sollen. Der Schreibemeister thut weiter nichts, als daß er die Art die Zeichen zu machen lehrt, wodurch Worte geschrieben werden. Weiter thut er nichts, nicht im Stande ist er bis zur einzigen Nachbildung seines Buchstabens zu tyrannisiren. — Freilich faͤllt die Moͤglichkeit einer Charakterbestimmung ganz weg bei dem Kinde, das jetzt unter der Zucht des Schreibemeisters stehet, oder nur seiner Hand entlaufen ist; so wie der Charakterausdruck des Temperaments in dem aͤngstlichen Tanze des Kindes nicht moͤglich ist, ehe es das steife Pasmachen des Tanzmeisters verlernt, und durch Uebung sich von dem Blick auf die Fuͤsse gewoͤhnt hat. —

»Jeder Buchstabe hat seine bestimmten Graͤnzen: — « Wer setzt ihm diese Graͤnzen, gewiß ihr blos, die ihr mir dieses einwendet. Jch

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[51/0051] schreiben lernen, und sehet nach vier, acht, zehn Jahren ihre Handschriften an: glaubt ihr dann wohl noch viel Aehnlichkeit mit ihrem ehemaligen Schreibemeister zu finden, viel von der Bildung, die einst von ihm ihren Buchstaben ist vorgezeichnet worden? — Der harte feststehende perpendikulaͤre Buchstabe des mechanischen Schreibemeisters wird ohnmoͤglich der Buchstabe des Nervenschwachen, — des empfindsamen Dichters werden koͤnnen, trotz alles Unterrichts nicht das harte mechanische der Vorschrift die Handschrift der weichern Maͤdchen, die sich nach ihr bilden sollen. Der Schreibemeister thut weiter nichts, als daß er die Art die Zeichen zu machen lehrt, wodurch Worte geschrieben werden. Weiter thut er nichts, nicht im Stande ist er bis zur einzigen Nachbildung seines Buchstabens zu tyrannisiren. — Freilich faͤllt die Moͤglichkeit einer Charakterbestimmung ganz weg bei dem Kinde, das jetzt unter der Zucht des Schreibemeisters stehet, oder nur seiner Hand entlaufen ist; so wie der Charakterausdruck des Temperaments in dem aͤngstlichen Tanze des Kindes nicht moͤglich ist, ehe es das steife Pasmachen des Tanzmeisters verlernt, und durch Uebung sich von dem Blick auf die Fuͤsse gewoͤhnt hat. — »Jeder Buchstabe hat seine bestimmten Graͤnzen: — « Wer setzt ihm diese Graͤnzen, gewiß ihr blos, die ihr mir dieses einwendet. Jch

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/51>, abgerufen am 27.11.2024.