Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite


denken und nennen können, muß ich unbestimmt lassen. Eben so schreibe ich seine damals wiederholentliche Aeußerung, nach Schlesien wieder zu wollen, einer gewissen Schwäche zu, indem dieses Verlangen und Heimweh nachmals aus seiner Seele gänzlich geschwunden war. Je nachdem ich ihn stärker oder schwächer fand, denn dies Stark- und Schwachseyn wechselte an verschiedenen Tagen sehr oft ab, drang ich mehr oder weniger in ihn zu wissen, ob etwa Liebe Mitursach seiner Krankheit gewesen seyn könne; drang in ihn, ob er vielleicht dort wirklich sich versprochen oder verbunden. Jndeß immer war das Resultat, daß man ihn gern um sich gesehn und ihn hatte leiden können, zumal, da er sich gern zu kleinen Gefälligkeiten, sowohl seiner erlernten Profession, als auch in dem Dienste bereit hätte finden lassen; und was er mir damals gestand, stimmte er auch ein, da ich ihm zu erkennen gab, daß ich manches besser wisse, als er vielleicht glaube. Sein Vetter hatte nämlich von dem Cammerdiener des Herrn, bei dem er in Schlesien gewesen, nachfolgenden Brief empfangen, den er mir mittheilte.

Schreiben des Cammerdieners an den jungen B.

Werthgeschätzter Freund!

Schon längst habe ich immer wollen an Sie schreiben, aber noch immer ist es geblieben. Erstens wissen Sie, daß ich schwer zum Briefschreiben


denken und nennen koͤnnen, muß ich unbestimmt lassen. Eben so schreibe ich seine damals wiederholentliche Aeußerung, nach Schlesien wieder zu wollen, einer gewissen Schwaͤche zu, indem dieses Verlangen und Heimweh nachmals aus seiner Seele gaͤnzlich geschwunden war. Je nachdem ich ihn staͤrker oder schwaͤcher fand, denn dies Stark- und Schwachseyn wechselte an verschiedenen Tagen sehr oft ab, drang ich mehr oder weniger in ihn zu wissen, ob etwa Liebe Mitursach seiner Krankheit gewesen seyn koͤnne; drang in ihn, ob er vielleicht dort wirklich sich versprochen oder verbunden. Jndeß immer war das Resultat, daß man ihn gern um sich gesehn und ihn hatte leiden koͤnnen, zumal, da er sich gern zu kleinen Gefaͤlligkeiten, sowohl seiner erlernten Profession, als auch in dem Dienste bereit haͤtte finden lassen; und was er mir damals gestand, stimmte er auch ein, da ich ihm zu erkennen gab, daß ich manches besser wisse, als er vielleicht glaube. Sein Vetter hatte naͤmlich von dem Cammerdiener des Herrn, bei dem er in Schlesien gewesen, nachfolgenden Brief empfangen, den er mir mittheilte.

Schreiben des Cammerdieners an den jungen B.

Werthgeschaͤtzter Freund!

Schon laͤngst habe ich immer wollen an Sie schreiben, aber noch immer ist es geblieben. Erstens wissen Sie, daß ich schwer zum Briefschreiben

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0121" n="121"/><lb/>
denken und nennen ko&#x0364;nnen, muß ich unbestimmt                         lassen. Eben so schreibe ich seine damals wiederholentliche Aeußerung, nach                         Schlesien wieder zu wollen, einer gewissen Schwa&#x0364;che zu, indem dieses                         Verlangen und Heimweh nachmals aus seiner Seele ga&#x0364;nzlich geschwunden war. Je                         nachdem ich ihn sta&#x0364;rker oder schwa&#x0364;cher fand, denn dies Stark- und                         Schwachseyn wechselte an verschiedenen Tagen sehr oft ab, drang ich mehr                         oder weniger in ihn zu wissen, ob etwa Liebe Mitursach seiner Krankheit                         gewesen seyn ko&#x0364;nne; drang in ihn, ob er vielleicht dort wirklich sich                         versprochen oder verbunden. Jndeß immer war das Resultat, daß man ihn gern                         um sich gesehn und ihn hatte leiden ko&#x0364;nnen, zumal, da er sich gern zu                         kleinen Gefa&#x0364;lligkeiten, sowohl seiner erlernten Profession, als auch in dem                         Dienste bereit ha&#x0364;tte finden lassen; und was er mir damals gestand, stimmte                         er auch ein, da ich ihm zu erkennen gab, daß ich manches besser wisse, als                         er vielleicht glaube. Sein Vetter hatte na&#x0364;mlich von dem Cammerdiener des                         Herrn, bei dem er in Schlesien gewesen, nachfolgenden Brief empfangen, den                         er mir mittheilte.</p>
            <div n="4">
              <head>Schreiben des Cammerdieners an den jungen B.</head><lb/>
              <p rend="indention4">Werthgescha&#x0364;tzter Freund!</p>
              <p>Schon la&#x0364;ngst habe ich immer wollen an Sie schreiben, aber noch immer ist es                         geblieben. Erstens wissen Sie, daß ich schwer zum Briefschreiben<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0121] denken und nennen koͤnnen, muß ich unbestimmt lassen. Eben so schreibe ich seine damals wiederholentliche Aeußerung, nach Schlesien wieder zu wollen, einer gewissen Schwaͤche zu, indem dieses Verlangen und Heimweh nachmals aus seiner Seele gaͤnzlich geschwunden war. Je nachdem ich ihn staͤrker oder schwaͤcher fand, denn dies Stark- und Schwachseyn wechselte an verschiedenen Tagen sehr oft ab, drang ich mehr oder weniger in ihn zu wissen, ob etwa Liebe Mitursach seiner Krankheit gewesen seyn koͤnne; drang in ihn, ob er vielleicht dort wirklich sich versprochen oder verbunden. Jndeß immer war das Resultat, daß man ihn gern um sich gesehn und ihn hatte leiden koͤnnen, zumal, da er sich gern zu kleinen Gefaͤlligkeiten, sowohl seiner erlernten Profession, als auch in dem Dienste bereit haͤtte finden lassen; und was er mir damals gestand, stimmte er auch ein, da ich ihm zu erkennen gab, daß ich manches besser wisse, als er vielleicht glaube. Sein Vetter hatte naͤmlich von dem Cammerdiener des Herrn, bei dem er in Schlesien gewesen, nachfolgenden Brief empfangen, den er mir mittheilte. Schreiben des Cammerdieners an den jungen B. Werthgeschaͤtzter Freund! Schon laͤngst habe ich immer wollen an Sie schreiben, aber noch immer ist es geblieben. Erstens wissen Sie, daß ich schwer zum Briefschreiben

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/121
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/121>, abgerufen am 22.12.2024.