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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

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zu zeigen, so fordert die meinige den Beweiß von der Realität der Erfahrung (als Faktum) selbst. Zweitens, so begnügt sich meine Philosophie nicht mit den synthetischen Sätzen überhaupt; sie fordert, zu ihrer objektiven Realität einen analytischen Beweiß. So lange dieses nicht bewerkstelligt werden kann, hält sie sich an den humischen Skeptizismus.

Jhre Erklärungsart, wie Sie alles Spekulative, auch das Mathematische, nach praktischen Prinzipien beurtheilen, begreife ich aus Jhrem jetzigen Schreiben eben so wenig, als aus Jhrem Aufsatze. Die mathematischen Wahrheiten beruhen auf der konstitutiven Möglichkeit einer Darstellung (Konstrukzion) a priori. Die Praktischen (Moralischen) hingegen, beruhen auf einer regulativen Nothwendigkeit, die freiwilligen Handlungen, der Vernunftform gemäß einzurichten. Diese beiden sind also von ganz verschiedener Natur, und lassen sich nicht durch einander bestimmen. Die mathematischen Wahrheiten müssen allerdings mit den Wahrheiten der Natur- und Sittenlehre in Konvenienz seyn. Ein runder Körper, er mag übrigens beschaffen seyn, wie er will, muß die mathematischen Eigenschaften einer Kugel haben. Diese aber sind schon an sich unabhängig vom Daseyn des Körpers nothwendig; und so wie Bako sagt: die Mathematik bestimmt die Naturlehre,


zu zeigen, so fordert die meinige den Beweiß von der Realitaͤt der Erfahrung (als Faktum) selbst. Zweitens, so begnuͤgt sich meine Philosophie nicht mit den synthetischen Saͤtzen uͤberhaupt; sie fordert, zu ihrer objektiven Realitaͤt einen analytischen Beweiß. So lange dieses nicht bewerkstelligt werden kann, haͤlt sie sich an den humischen Skeptizismus.

Jhre Erklaͤrungsart, wie Sie alles Spekulative, auch das Mathematische, nach praktischen Prinzipien beurtheilen, begreife ich aus Jhrem jetzigen Schreiben eben so wenig, als aus Jhrem Aufsatze. Die mathematischen Wahrheiten beruhen auf der konstitutiven Moͤglichkeit einer Darstellung (Konstrukzion) a priori. Die Praktischen (Moralischen) hingegen, beruhen auf einer regulativen Nothwendigkeit, die freiwilligen Handlungen, der Vernunftform gemaͤß einzurichten. Diese beiden sind also von ganz verschiedener Natur, und lassen sich nicht durch einander bestimmen. Die mathematischen Wahrheiten muͤssen allerdings mit den Wahrheiten der Natur- und Sittenlehre in Konvenienz seyn. Ein runder Koͤrper, er mag uͤbrigens beschaffen seyn, wie er will, muß die mathematischen Eigenschaften einer Kugel haben. Diese aber sind schon an sich unabhaͤngig vom Daseyn des Koͤrpers nothwendig; und so wie Bako sagt: die Mathematik bestimmt die Naturlehre,

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[103/0103] zu zeigen, so fordert die meinige den Beweiß von der Realitaͤt der Erfahrung (als Faktum) selbst. Zweitens, so begnuͤgt sich meine Philosophie nicht mit den synthetischen Saͤtzen uͤberhaupt; sie fordert, zu ihrer objektiven Realitaͤt einen analytischen Beweiß. So lange dieses nicht bewerkstelligt werden kann, haͤlt sie sich an den humischen Skeptizismus. Jhre Erklaͤrungsart, wie Sie alles Spekulative, auch das Mathematische, nach praktischen Prinzipien beurtheilen, begreife ich aus Jhrem jetzigen Schreiben eben so wenig, als aus Jhrem Aufsatze. Die mathematischen Wahrheiten beruhen auf der konstitutiven Moͤglichkeit einer Darstellung (Konstrukzion) a priori. Die Praktischen (Moralischen) hingegen, beruhen auf einer regulativen Nothwendigkeit, die freiwilligen Handlungen, der Vernunftform gemaͤß einzurichten. Diese beiden sind also von ganz verschiedener Natur, und lassen sich nicht durch einander bestimmen. Die mathematischen Wahrheiten muͤssen allerdings mit den Wahrheiten der Natur- und Sittenlehre in Konvenienz seyn. Ein runder Koͤrper, er mag uͤbrigens beschaffen seyn, wie er will, muß die mathematischen Eigenschaften einer Kugel haben. Diese aber sind schon an sich unabhaͤngig vom Daseyn des Koͤrpers nothwendig; und so wie Bako sagt: die Mathematik bestimmt die Naturlehre,

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/103>, abgerufen am 18.05.2024.