Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.
So ist es auch mit den Geistern beschaffen. Unkultivirte im Stande der Natur lebende Menschen, leben im Frieden mit einander; Jeder für sich macht noch kein besonderes System aus. Gebildete aufgeklärte Menschen (Weltleute) sind schon systematisch; jeder hat sein eigenes Zentrum (Prinzip seiner Handlung) Eigenliebe nach individuellen Zwecken. Die praktische Vernunft (im Sinne) hält den Menschen ein Kantischenallgemeines Prinzip (die Vernunftform) vor; wodurch nicht nur ein jeder für sich, sondern auch mit allen andern, in ein vollständiges System gebracht werden kann. Die Menschen leben alsdann abermal im Stande der (vernünftigen) Natur. Daß meine Schriften supertranszendental sind, mag wohl wahr seyn. Denn da die gemeine Transzendentalphilosophie sich bloß damit begnügt, die Realität der Grundbegriffe und Sätze a priori hypothetisch als Bedingungen der Erfahrung
So ist es auch mit den Geistern beschaffen. Unkultivirte im Stande der Natur lebende Menschen, leben im Frieden mit einander; Jeder fuͤr sich macht noch kein besonderes System aus. Gebildete aufgeklaͤrte Menschen (Weltleute) sind schon systematisch; jeder hat sein eigenes Zentrum (Prinzip seiner Handlung) Eigenliebe nach individuellen Zwecken. Die praktische Vernunft (im Sinne) haͤlt den Menschen ein Kantischenallgemeines Prinzip (die Vernunftform) vor; wodurch nicht nur ein jeder fuͤr sich, sondern auch mit allen andern, in ein vollstaͤndiges System gebracht werden kann. Die Menschen leben alsdann abermal im Stande der (vernuͤnftigen) Natur. Daß meine Schriften supertranszendental sind, mag wohl wahr seyn. Denn da die gemeine Transzendentalphilosophie sich bloß damit begnuͤgt, die Realitaͤt der Grundbegriffe und Saͤtze a priori hypothetisch als Bedingungen der Erfahrung <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div type="letter" n="3"> <p><pb facs="#f0102" n="102"/><lb/> System (nach einem Prinzip geordnetes Ganze) <hi rendition="#b">fuͤr sich</hi> ausmacht, um desto weniger kann er <hi rendition="#b">mit andern</hi> ein System ausmachen, und so auch umgekehrt; vorausgesetzt, daß das diesem System zum Grunde liegende Prinzip (hier das Zentrum) ihm <hi rendition="#b">eigen</hi> ist. Jst hingegen dieses <hi rendition="#b">gemeinschaftlich,</hi> so ist er eben dadurch, daß er <hi rendition="#b">fuͤr sich</hi> ein System ausmacht, geschickt auch mit andern ein System auszumachen. </p> <p>So ist es auch mit den <hi rendition="#b">Geistern</hi> beschaffen. Unkultivirte <hi rendition="#b">im Stande der Natur</hi> lebende Menschen, leben im Frieden mit einander; Jeder fuͤr sich macht noch kein besonderes System aus. Gebildete aufgeklaͤrte Menschen (Weltleute) sind schon systematisch; jeder hat sein eigenes Zentrum (Prinzip seiner Handlung) Eigenliebe nach individuellen Zwecken. Die <hi rendition="#b">praktische Vernunft</hi> (im <persName ref="#ref0128"><note type="editorial">Kant, Jmmanuel</note>Kantischen</persName> Sinne) haͤlt den Menschen ein <hi rendition="#b">allgemeines Prinzip</hi> (die Vernunftform) vor; wodurch nicht nur ein jeder <hi rendition="#b">fuͤr sich,</hi> sondern auch mit allen andern, in ein vollstaͤndiges System gebracht werden kann. Die Menschen leben alsdann abermal im Stande der (vernuͤnftigen) Natur. </p> <p>Daß meine Schriften supertranszendental sind, mag wohl wahr seyn. Denn da die gemeine Transzendentalphilosophie sich bloß damit begnuͤgt, die Realitaͤt der Grundbegriffe und Saͤtze <hi rendition="#i">a priori</hi> <hi rendition="#b">hypothetisch als Bedingungen der Erfahrung</hi><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [102/0102]
System (nach einem Prinzip geordnetes Ganze) fuͤr sich ausmacht, um desto weniger kann er mit andern ein System ausmachen, und so auch umgekehrt; vorausgesetzt, daß das diesem System zum Grunde liegende Prinzip (hier das Zentrum) ihm eigen ist. Jst hingegen dieses gemeinschaftlich, so ist er eben dadurch, daß er fuͤr sich ein System ausmacht, geschickt auch mit andern ein System auszumachen.
So ist es auch mit den Geistern beschaffen. Unkultivirte im Stande der Natur lebende Menschen, leben im Frieden mit einander; Jeder fuͤr sich macht noch kein besonderes System aus. Gebildete aufgeklaͤrte Menschen (Weltleute) sind schon systematisch; jeder hat sein eigenes Zentrum (Prinzip seiner Handlung) Eigenliebe nach individuellen Zwecken. Die praktische Vernunft (im Kantischen Sinne) haͤlt den Menschen ein allgemeines Prinzip (die Vernunftform) vor; wodurch nicht nur ein jeder fuͤr sich, sondern auch mit allen andern, in ein vollstaͤndiges System gebracht werden kann. Die Menschen leben alsdann abermal im Stande der (vernuͤnftigen) Natur.
Daß meine Schriften supertranszendental sind, mag wohl wahr seyn. Denn da die gemeine Transzendentalphilosophie sich bloß damit begnuͤgt, die Realitaͤt der Grundbegriffe und Saͤtze a priori hypothetisch als Bedingungen der Erfahrung
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien
(2015-06-09T11:00:00Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat
(2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2015-06-09T11:00:00Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |