Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.
Allein die gleich anfänglich nach ihrer Heimkunft sehr überhäuften Arbeiten und Besorgnisse in ihrer Eltern Hause machten ihr das discursive Denken und Betrachten zur Zeit ihrer kleinen Andacht beschwerlich. Das Denken häufig neuer Geschäfte erforderte und brachte schon zu viel Anstrengung. Des Nachts wurde die Ermüdung zu groß, ihr lebhafter Eifer im Denken und Betrachten, im discursiven Anwenden und Affektioniren der Gründe, Mittel und Zwecke der Religion erschöpfte sich, obgleich ihr Herz immer mehr davon eingenommen, und Religion gleichsam ihr Leben wurde, mitten unter aller mühseligen Erfüllung ihrer Pflichten und Zerstreuung vom Getümmel des Hauses, das Ohren und Augen ermüdete. Jhr Eifer in Uebernahme aller Mühseligkeiten war so groß, daß, wenn sie ihr gleich viel Leiden und Geduld nöthig machten, sie doch wünschte noch mehr aufnehmen und leiden zu können. Ja ihr Herz brannte im Aufopferungseifer für ihr ganzes Haus, gleichsam von Hunger und Durst nach Lasttragen und Leiden; daher sie auch allen andern manche Ar-
Allein die gleich anfaͤnglich nach ihrer Heimkunft sehr uͤberhaͤuften Arbeiten und Besorgnisse in ihrer Eltern Hause machten ihr das discursive Denken und Betrachten zur Zeit ihrer kleinen Andacht beschwerlich. Das Denken haͤufig neuer Geschaͤfte erforderte und brachte schon zu viel Anstrengung. Des Nachts wurde die Ermuͤdung zu groß, ihr lebhafter Eifer im Denken und Betrachten, im discursiven Anwenden und Affektioniren der Gruͤnde, Mittel und Zwecke der Religion erschoͤpfte sich, obgleich ihr Herz immer mehr davon eingenommen, und Religion gleichsam ihr Leben wurde, mitten unter aller muͤhseligen Erfuͤllung ihrer Pflichten und Zerstreuung vom Getuͤmmel des Hauses, das Ohren und Augen ermuͤdete. Jhr Eifer in Uebernahme aller Muͤhseligkeiten war so groß, daß, wenn sie ihr gleich viel Leiden und Geduld noͤthig machten, sie doch wuͤnschte noch mehr aufnehmen und leiden zu koͤnnen. Ja ihr Herz brannte im Aufopferungseifer fuͤr ihr ganzes Haus, gleichsam von Hunger und Durst nach Lasttragen und Leiden; daher sie auch allen andern manche Ar- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0099" n="99"/><lb/> Betrachtungen und damit affectiver Gebetsarten, sich zu allem Guten, zu ewigem Rechten und Wahren zu gewoͤhnen, zu ermuntern, zu staͤrken, auszubreiten, mit Denken an Gott und ihre Pflichten, sich so gut, so genau und so eifrig zu unterhalten, als sie konnte.</p> <p>Allein die gleich anfaͤnglich nach ihrer Heimkunft sehr uͤberhaͤuften Arbeiten und Besorgnisse in ihrer Eltern Hause machten ihr das discursive Denken und Betrachten zur Zeit ihrer kleinen Andacht beschwerlich. Das Denken haͤufig neuer Geschaͤfte erforderte und brachte schon zu viel Anstrengung. Des Nachts wurde die Ermuͤdung zu groß, ihr lebhafter Eifer im Denken und Betrachten, im discursiven Anwenden und Affektioniren der Gruͤnde, Mittel und Zwecke der Religion erschoͤpfte sich, obgleich ihr Herz immer mehr davon eingenommen, und Religion gleichsam ihr Leben wurde, mitten unter aller muͤhseligen Erfuͤllung ihrer Pflichten und Zerstreuung vom Getuͤmmel des Hauses, das Ohren und Augen ermuͤdete.</p> <p>Jhr Eifer in Uebernahme aller Muͤhseligkeiten war so groß, daß, wenn sie ihr gleich viel Leiden und Geduld noͤthig machten, sie doch wuͤnschte noch mehr aufnehmen und leiden zu koͤnnen. Ja ihr Herz brannte im Aufopferungseifer fuͤr ihr ganzes Haus, gleichsam von Hunger und Durst nach Lasttragen und Leiden; daher sie auch allen andern manche Ar-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [99/0099]
Betrachtungen und damit affectiver Gebetsarten, sich zu allem Guten, zu ewigem Rechten und Wahren zu gewoͤhnen, zu ermuntern, zu staͤrken, auszubreiten, mit Denken an Gott und ihre Pflichten, sich so gut, so genau und so eifrig zu unterhalten, als sie konnte.
Allein die gleich anfaͤnglich nach ihrer Heimkunft sehr uͤberhaͤuften Arbeiten und Besorgnisse in ihrer Eltern Hause machten ihr das discursive Denken und Betrachten zur Zeit ihrer kleinen Andacht beschwerlich. Das Denken haͤufig neuer Geschaͤfte erforderte und brachte schon zu viel Anstrengung. Des Nachts wurde die Ermuͤdung zu groß, ihr lebhafter Eifer im Denken und Betrachten, im discursiven Anwenden und Affektioniren der Gruͤnde, Mittel und Zwecke der Religion erschoͤpfte sich, obgleich ihr Herz immer mehr davon eingenommen, und Religion gleichsam ihr Leben wurde, mitten unter aller muͤhseligen Erfuͤllung ihrer Pflichten und Zerstreuung vom Getuͤmmel des Hauses, das Ohren und Augen ermuͤdete.
Jhr Eifer in Uebernahme aller Muͤhseligkeiten war so groß, daß, wenn sie ihr gleich viel Leiden und Geduld noͤthig machten, sie doch wuͤnschte noch mehr aufnehmen und leiden zu koͤnnen. Ja ihr Herz brannte im Aufopferungseifer fuͤr ihr ganzes Haus, gleichsam von Hunger und Durst nach Lasttragen und Leiden; daher sie auch allen andern manche Ar-
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