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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

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nicht begreifen kann, daß in der größten Einfalt alle Menschen mögliche Weisheit verborgen liegt.*)

Eben das Letzte war aber der alte Schweitzer Obereit sehr frühe gewohnt zu merken, in Schweizereinfalt, bei simpelsten Prinzipien, deren Generalitäten gros dem Grunde nach, ja fast den Prospekt einer Allwissenheit giebt, und der ganze Jnbegriff allgemeiner ewiger Wahrheiten, was kann er ursprünglich seyn als ein Generalausdruck des allfassenden Verstandes, uns in der Grundform mitge-

*) Ein sehr wahrer Satz, der aber leicht gemißbraucht werden kann, und wirklich gemißbraucht wird (wie das Beispiel des Herrn Obereits selbst beweißt). Die Reinholdische Theorie des V. V. enthält freilich die einfachsten Prinzipien aller Wissenschaften überhaupt, und ist, in sofern sie in einer Kritik des Erkenntnißvermögens gegründet ist, die Conditio sine qua non zu allen Wissenschaften. Wollte man aber mit Herrn Obereit sagen, daß alle Wissenschaften schon darin verborgen lägen, so wäre es so viel als sagte man: die ganze Geometrie liegt schon in dem Begriffe des Raumes verborgen; weil alle Gegenstände der Geometrie und ihre Verhältnisse nur im Raume gedacht werden können. Herr Obereit probire einmal irgend ein Phänomen in der Natur durch die aus der Kritik der reinen Vernunft, oder der Theorie des V. V. geschöpften Prinzipien zu erklären und wissenschaftlich zu bestimmen. Herr Obereit erinnere sich an sein: suum cuique, aber auch nicht mehr als das Suum! S. M.


nicht begreifen kann, daß in der groͤßten Einfalt alle Menschen moͤgliche Weisheit verborgen liegt.*)

Eben das Letzte war aber der alte Schweitzer Obereit sehr fruͤhe gewohnt zu merken, in Schweizereinfalt, bei simpelsten Prinzipien, deren Generalitaͤten gros dem Grunde nach, ja fast den Prospekt einer Allwissenheit giebt, und der ganze Jnbegriff allgemeiner ewiger Wahrheiten, was kann er urspruͤnglich seyn als ein Generalausdruck des allfassenden Verstandes, uns in der Grundform mitge-

*) Ein sehr wahrer Satz, der aber leicht gemißbraucht werden kann, und wirklich gemißbraucht wird (wie das Beispiel des Herrn Obereits selbst beweißt). Die Reinholdische Theorie des V. V. enthaͤlt freilich die einfachsten Prinzipien aller Wissenschaften uͤberhaupt, und ist, in sofern sie in einer Kritik des Erkenntnißvermoͤgens gegruͤndet ist, die Conditio sine qua non zu allen Wissenschaften. Wollte man aber mit Herrn Obereit sagen, daß alle Wissenschaften schon darin verborgen laͤgen, so waͤre es so viel als sagte man: die ganze Geometrie liegt schon in dem Begriffe des Raumes verborgen; weil alle Gegenstaͤnde der Geometrie und ihre Verhaͤltnisse nur im Raume gedacht werden koͤnnen. Herr Obereit probire einmal irgend ein Phaͤnomen in der Natur durch die aus der Kritik der reinen Vernunft, oder der Theorie des V. V. geschoͤpften Prinzipien zu erklaͤren und wissenschaftlich zu bestimmen. Herr Obereit erinnere sich an sein: suum cuique, aber auch nicht mehr als das Suum! S. M.
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[125/0125] nicht begreifen kann, daß in der groͤßten Einfalt alle Menschen moͤgliche Weisheit verborgen liegt.*) Eben das Letzte war aber der alte Schweitzer Obereit sehr fruͤhe gewohnt zu merken, in Schweizereinfalt, bei simpelsten Prinzipien, deren Generalitaͤten gros dem Grunde nach, ja fast den Prospekt einer Allwissenheit giebt, und der ganze Jnbegriff allgemeiner ewiger Wahrheiten, was kann er urspruͤnglich seyn als ein Generalausdruck des allfassenden Verstandes, uns in der Grundform mitge- *) Ein sehr wahrer Satz, der aber leicht gemißbraucht werden kann, und wirklich gemißbraucht wird (wie das Beispiel des Herrn Obereits selbst beweißt). Die Reinholdische Theorie des V. V. enthaͤlt freilich die einfachsten Prinzipien aller Wissenschaften uͤberhaupt, und ist, in sofern sie in einer Kritik des Erkenntnißvermoͤgens gegruͤndet ist, die Conditio sine qua non zu allen Wissenschaften. Wollte man aber mit Herrn Obereit sagen, daß alle Wissenschaften schon darin verborgen laͤgen, so waͤre es so viel als sagte man: die ganze Geometrie liegt schon in dem Begriffe des Raumes verborgen; weil alle Gegenstaͤnde der Geometrie und ihre Verhaͤltnisse nur im Raume gedacht werden koͤnnen. Herr Obereit probire einmal irgend ein Phaͤnomen in der Natur durch die aus der Kritik der reinen Vernunft, oder der Theorie des V. V. geschoͤpften Prinzipien zu erklaͤren und wissenschaftlich zu bestimmen. Herr Obereit erinnere sich an sein: suum cuique, aber auch nicht mehr als das Suum! S. M.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 125. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/125>, abgerufen am 26.11.2024.