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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

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Zeitfluß ohne Genesis wie mit einem plötzlich sich in uns versetzenden Feenhimmel anfangende Kritik der reinen Vernunft, wiewohl diese ihre gute Ursachen zu so einem erhabenen Anfang hatte.*)

Allein es ist kein Wunder, daß der Satz des Bewußtseyns bisher in der jetzigen fast ganz populär und zerstreuungsvoll gewordenen Vernunftwelt noch keinen Eingang zu finden scheint, nicht so viel als des Cartesii mehr auffallendes Cogito, ergo sum, weil eben der Reinholdische Elementarsatz bei aller seiner Natürlichkeit und lautern Einfalt doch auch sogar dem sonst alle Spekulation trocken gewohnten Obereit anfänglich und bis ans Ende zu spekulativ, wie kernleer, ins Auge fiel, ob er gleich das Fundament alles praktischen sowohl als theoretischen Elementarwissens seyn sollte.

Man sieht ihm seine Grundfruchtbarkeit gar nicht an, wie hingegen der Satz des zureichenden Grundes aller Welt gleich fruchtbar und allen Vernunftgegnern furchtbar in die Augen fiel, der Satz des Bewußtseyns aber braucht und rührt blos einfältigen Verstand, und dieser ist in unsrer ganzen Kunstwelt gar zur Rarität worden, da die Welt

*) Freilich hat die Kritik der reinen Vernunft ihre guten Ursachen dazu, und wenn Herr Obereit diese guten Ursachen so deutlich eingesehn hätte, als er sie nur dunkel ahndete, so wäre diese Vergleichung anders ausgefallen. S. M.


Zeitfluß ohne Genesis wie mit einem ploͤtzlich sich in uns versetzenden Feenhimmel anfangende Kritik der reinen Vernunft, wiewohl diese ihre gute Ursachen zu so einem erhabenen Anfang hatte.*)

Allein es ist kein Wunder, daß der Satz des Bewußtseyns bisher in der jetzigen fast ganz populaͤr und zerstreuungsvoll gewordenen Vernunftwelt noch keinen Eingang zu finden scheint, nicht so viel als des Cartesii mehr auffallendes Cogito, ergo sum, weil eben der Reinholdische Elementarsatz bei aller seiner Natuͤrlichkeit und lautern Einfalt doch auch sogar dem sonst alle Spekulation trocken gewohnten Obereit anfaͤnglich und bis ans Ende zu spekulativ, wie kernleer, ins Auge fiel, ob er gleich das Fundament alles praktischen sowohl als theoretischen Elementarwissens seyn sollte.

Man sieht ihm seine Grundfruchtbarkeit gar nicht an, wie hingegen der Satz des zureichenden Grundes aller Welt gleich fruchtbar und allen Vernunftgegnern furchtbar in die Augen fiel, der Satz des Bewußtseyns aber braucht und ruͤhrt blos einfaͤltigen Verstand, und dieser ist in unsrer ganzen Kunstwelt gar zur Raritaͤt worden, da die Welt

*) Freilich hat die Kritik der reinen Vernunft ihre guten Ursachen dazu, und wenn Herr Obereit diese guten Ursachen so deutlich eingesehn haͤtte, als er sie nur dunkel ahndete, so waͤre diese Vergleichung anders ausgefallen. S. M.
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[124/0124] Zeitfluß ohne Genesis wie mit einem ploͤtzlich sich in uns versetzenden Feenhimmel anfangende Kritik der reinen Vernunft, wiewohl diese ihre gute Ursachen zu so einem erhabenen Anfang hatte.*) Allein es ist kein Wunder, daß der Satz des Bewußtseyns bisher in der jetzigen fast ganz populaͤr und zerstreuungsvoll gewordenen Vernunftwelt noch keinen Eingang zu finden scheint, nicht so viel als des Cartesii mehr auffallendes Cogito, ergo sum, weil eben der Reinholdische Elementarsatz bei aller seiner Natuͤrlichkeit und lautern Einfalt doch auch sogar dem sonst alle Spekulation trocken gewohnten Obereit anfaͤnglich und bis ans Ende zu spekulativ, wie kernleer, ins Auge fiel, ob er gleich das Fundament alles praktischen sowohl als theoretischen Elementarwissens seyn sollte. Man sieht ihm seine Grundfruchtbarkeit gar nicht an, wie hingegen der Satz des zureichenden Grundes aller Welt gleich fruchtbar und allen Vernunftgegnern furchtbar in die Augen fiel, der Satz des Bewußtseyns aber braucht und ruͤhrt blos einfaͤltigen Verstand, und dieser ist in unsrer ganzen Kunstwelt gar zur Raritaͤt worden, da die Welt *) Freilich hat die Kritik der reinen Vernunft ihre guten Ursachen dazu, und wenn Herr Obereit diese guten Ursachen so deutlich eingesehn haͤtte, als er sie nur dunkel ahndete, so waͤre diese Vergleichung anders ausgefallen. S. M.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/124>, abgerufen am 25.11.2024.