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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

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theilt? Die Wahrheit kann ja nur durch den Verstand seyn, ohne den keine, und ist der endliche nicht Grund genug darzu, so muß es ja wohl der unendliche seyn?*) Der durch sich selbst allgenug ist, da nichts ohne das seyn kann, wodurch es ist.

Der Unendliche kann wohl ohne uns endliche Kleinigkeiten seyn, das Unendliche per se gegeben, bedarf ja nichts Endliches, wir aber können schon in der bloßen Möglichkeit nicht ohne den Unendlichen seyn, der objektiv ins Unendliche mittheilbar ist, ohne dessen Verstand der unsrige durch sich selbst allein nichts ist. Er gab uns also, daß wir von allen Schranken abstrahiren können, wenn wir Jhn rein denken, das ist das Größte und Fruchtbarste, was wir im Denken vermögen, wodurch dessen größte und reine Fruchtbarkeit im Allgemeinen gegründet wird, wie auf andre Art durch den bloßen Begrif des absoluten Seyns für sich allein, ohne welches per se Gegebenes gar kein Relatives, hiemit keine Welt nur möglich ist. Und Seyn und Vermögen ist Eins, denn was Nichts vermag, ist Nichts. --


*) Dieses scheint gar nicht der kritischen Philosophie, wozu sich Herr Obereit bekehrt hat, angemessen zu seyn. Diese weiß von keinem unendlichen Verstande was zu sagen. Sie ist in ihren Forderungen bescheiden, und sucht nur die Bedingungen der Möglichkeit eines endlichen Verstandes anzugeben, welches für uns hinreichend ist. S. M.


theilt? Die Wahrheit kann ja nur durch den Verstand seyn, ohne den keine, und ist der endliche nicht Grund genug darzu, so muß es ja wohl der unendliche seyn?*) Der durch sich selbst allgenug ist, da nichts ohne das seyn kann, wodurch es ist.

Der Unendliche kann wohl ohne uns endliche Kleinigkeiten seyn, das Unendliche per se gegeben, bedarf ja nichts Endliches, wir aber koͤnnen schon in der bloßen Moͤglichkeit nicht ohne den Unendlichen seyn, der objektiv ins Unendliche mittheilbar ist, ohne dessen Verstand der unsrige durch sich selbst allein nichts ist. Er gab uns also, daß wir von allen Schranken abstrahiren koͤnnen, wenn wir Jhn rein denken, das ist das Groͤßte und Fruchtbarste, was wir im Denken vermoͤgen, wodurch dessen groͤßte und reine Fruchtbarkeit im Allgemeinen gegruͤndet wird, wie auf andre Art durch den bloßen Begrif des absoluten Seyns fuͤr sich allein, ohne welches per se Gegebenes gar kein Relatives, hiemit keine Welt nur moͤglich ist. Und Seyn und Vermoͤgen ist Eins, denn was Nichts vermag, ist Nichts. —


*) Dieses scheint gar nicht der kritischen Philosophie, wozu sich Herr Obereit bekehrt hat, angemessen zu seyn. Diese weiß von keinem unendlichen Verstande was zu sagen. Sie ist in ihren Forderungen bescheiden, und sucht nur die Bedingungen der Moͤglichkeit eines endlichen Verstandes anzugeben, welches fuͤr uns hinreichend ist. S. M.
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[126/0126] theilt? Die Wahrheit kann ja nur durch den Verstand seyn, ohne den keine, und ist der endliche nicht Grund genug darzu, so muß es ja wohl der unendliche seyn?*) Der durch sich selbst allgenug ist, da nichts ohne das seyn kann, wodurch es ist. Der Unendliche kann wohl ohne uns endliche Kleinigkeiten seyn, das Unendliche per se gegeben, bedarf ja nichts Endliches, wir aber koͤnnen schon in der bloßen Moͤglichkeit nicht ohne den Unendlichen seyn, der objektiv ins Unendliche mittheilbar ist, ohne dessen Verstand der unsrige durch sich selbst allein nichts ist. Er gab uns also, daß wir von allen Schranken abstrahiren koͤnnen, wenn wir Jhn rein denken, das ist das Groͤßte und Fruchtbarste, was wir im Denken vermoͤgen, wodurch dessen groͤßte und reine Fruchtbarkeit im Allgemeinen gegruͤndet wird, wie auf andre Art durch den bloßen Begrif des absoluten Seyns fuͤr sich allein, ohne welches per se Gegebenes gar kein Relatives, hiemit keine Welt nur moͤglich ist. Und Seyn und Vermoͤgen ist Eins, denn was Nichts vermag, ist Nichts. — *) Dieses scheint gar nicht der kritischen Philosophie, wozu sich Herr Obereit bekehrt hat, angemessen zu seyn. Diese weiß von keinem unendlichen Verstande was zu sagen. Sie ist in ihren Forderungen bescheiden, und sucht nur die Bedingungen der Moͤglichkeit eines endlichen Verstandes anzugeben, welches fuͤr uns hinreichend ist. S. M.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/126>, abgerufen am 11.05.2024.