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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.

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Magen leer findet,
alsdann erkennt er erst, daß er vorher blos geträumt hat. Er erkennt also, daß er blos im Traume gegessen hat, aus dem Ausbleiben der Würkung dieses Essens nehmlich: der Sättigung und dergleichen. So erkennt man auch, daß man geträumt hat, wenn man bemerkt, daß man die ganze Zeit über im Bette gelegen, und die Augen zugeschlossen hatte; folglich die im Traume vorgestellten sichtbaren Gegenstände nicht habe sehen, und die Handlungen nicht habe verrichten können, und dergleichen.

Die Ursache des Traums, ist eine, durch die Würksamkeit der Sinne ununterbrochne Würksamkeit der Einbildungskraft.

Traum ist derjenige Zustand des Menschen, worin das Associationsvermögen sich nicht selbstthätig nach einer bestimmten Art, sondern leidend, und von der einen Associationsart zur andern leicht überspringend sich äußert. Der Traum ist ein Mittelzustand zwischen Schlafen und Wachen, worin der Körper die durch den Schlaf verlohrne Spannung wieder zu erlangen, und empfindungsfähig zu seyn anfängt. Da er aber noch nicht die völlige zur Empfindung nöthige Spannung erlangt hat, so ist die durch den Traum veranlassete Empfindung an sich sehr schwach (obgleich die Ursache davon später als gewöhnlich gedacht wird), und von dem Associationsgeschäfte (das vom Körper


Magen leer findet,
alsdann erkennt er erst, daß er vorher blos getraͤumt hat. Er erkennt also, daß er blos im Traume gegessen hat, aus dem Ausbleiben der Wuͤrkung dieses Essens nehmlich: der Saͤttigung und dergleichen. So erkennt man auch, daß man getraͤumt hat, wenn man bemerkt, daß man die ganze Zeit uͤber im Bette gelegen, und die Augen zugeschlossen hatte; folglich die im Traume vorgestellten sichtbaren Gegenstaͤnde nicht habe sehen, und die Handlungen nicht habe verrichten koͤnnen, und dergleichen.

Die Ursache des Traums, ist eine, durch die Wuͤrksamkeit der Sinne ununterbrochne Wuͤrksamkeit der Einbildungskraft.

Traum ist derjenige Zustand des Menschen, worin das Associationsvermoͤgen sich nicht selbstthaͤtig nach einer bestimmten Art, sondern leidend, und von der einen Associationsart zur andern leicht uͤberspringend sich aͤußert. Der Traum ist ein Mittelzustand zwischen Schlafen und Wachen, worin der Koͤrper die durch den Schlaf verlohrne Spannung wieder zu erlangen, und empfindungsfaͤhig zu seyn anfaͤngt. Da er aber noch nicht die voͤllige zur Empfindung noͤthige Spannung erlangt hat, so ist die durch den Traum veranlassete Empfindung an sich sehr schwach (obgleich die Ursache davon spaͤter als gewoͤhnlich gedacht wird), und von dem Associationsgeschaͤfte (das vom Koͤrper

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[71/0073] Magen leer findet, alsdann erkennt er erst, daß er vorher blos getraͤumt hat. Er erkennt also, daß er blos im Traume gegessen hat, aus dem Ausbleiben der Wuͤrkung dieses Essens nehmlich: der Saͤttigung und dergleichen. So erkennt man auch, daß man getraͤumt hat, wenn man bemerkt, daß man die ganze Zeit uͤber im Bette gelegen, und die Augen zugeschlossen hatte; folglich die im Traume vorgestellten sichtbaren Gegenstaͤnde nicht habe sehen, und die Handlungen nicht habe verrichten koͤnnen, und dergleichen. Die Ursache des Traums, ist eine, durch die Wuͤrksamkeit der Sinne ununterbrochne Wuͤrksamkeit der Einbildungskraft. Traum ist derjenige Zustand des Menschen, worin das Associationsvermoͤgen sich nicht selbstthaͤtig nach einer bestimmten Art, sondern leidend, und von der einen Associationsart zur andern leicht uͤberspringend sich aͤußert. Der Traum ist ein Mittelzustand zwischen Schlafen und Wachen, worin der Koͤrper die durch den Schlaf verlohrne Spannung wieder zu erlangen, und empfindungsfaͤhig zu seyn anfaͤngt. Da er aber noch nicht die voͤllige zur Empfindung noͤthige Spannung erlangt hat, so ist die durch den Traum veranlassete Empfindung an sich sehr schwach (obgleich die Ursache davon spaͤter als gewoͤhnlich gedacht wird), und von dem Associationsgeschaͤfte (das vom Koͤrper

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/73>, abgerufen am 27.04.2024.