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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.

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2. Ueber den Traum und über das Divinationsvermögen.
(Als eine Fortsetzung des vierten Aufsatzes 3ten Stücks 8ten Bands.)

Es giebt noch eine Art Täuschung, die eine besondere Erörterung erfordert, nehmlich: der Traum.

Die Merkmale, woran wir den Zustand des Träumens, von dem Zustande des Wachens unterscheiden können sind: 1) Die Unregelmäßigkeit in der Folge der Vorstellungen auf einander. 2) Das Ausbleiben der Würkungen aus ihren im Traume vorgestellten Ursachen. 3) Der körperliche Zustand des Schlafens (seine Ausspannung, Ruhe, und Verschließung der sinnlichen Organen).

Das Erste kann, wenn die Unregelmäßigkeit, zur Ungereimtheit wird, im Traum selbst wahrgenommen werden, woraus man im Traume selbst weis, daß man träumt, so daß man nicht selten darüber erwacht. Die beiden andern können nicht im Traume selbst, sondern erst nach dem Aufwachen wahrgenommen werden. Wenn, nach dem Jesaias, der Hungrige träumt, daß er ißt, so weis er während des Traums nicht, daß er träumt. Wenn er aber aufwacht und seinen


2. Ueber den Traum und uͤber das Divinationsvermoͤgen.
(Als eine Fortsetzung des vierten Aufsatzes 3ten Stuͤcks 8ten Bands.)

Es giebt noch eine Art Taͤuschung, die eine besondere Eroͤrterung erfordert, nehmlich: der Traum.

Die Merkmale, woran wir den Zustand des Traͤumens, von dem Zustande des Wachens unterscheiden koͤnnen sind: 1) Die Unregelmaͤßigkeit in der Folge der Vorstellungen auf einander. 2) Das Ausbleiben der Wuͤrkungen aus ihren im Traume vorgestellten Ursachen. 3) Der koͤrperliche Zustand des Schlafens (seine Ausspannung, Ruhe, und Verschließung der sinnlichen Organen).

Das Erste kann, wenn die Unregelmaͤßigkeit, zur Ungereimtheit wird, im Traum selbst wahrgenommen werden, woraus man im Traume selbst weis, daß man traͤumt, so daß man nicht selten daruͤber erwacht. Die beiden andern koͤnnen nicht im Traume selbst, sondern erst nach dem Aufwachen wahrgenommen werden. Wenn, nach dem Jesaias, der Hungrige traͤumt, daß er ißt, so weis er waͤhrend des Traums nicht, daß er traͤumt. Wenn er aber aufwacht und seinen

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[70/0072] 2. Ueber den Traum und uͤber das Divinationsvermoͤgen. (Als eine Fortsetzung des vierten Aufsatzes 3ten Stuͤcks 8ten Bands.) Es giebt noch eine Art Taͤuschung, die eine besondere Eroͤrterung erfordert, nehmlich: der Traum. Die Merkmale, woran wir den Zustand des Traͤumens, von dem Zustande des Wachens unterscheiden koͤnnen sind: 1) Die Unregelmaͤßigkeit in der Folge der Vorstellungen auf einander. 2) Das Ausbleiben der Wuͤrkungen aus ihren im Traume vorgestellten Ursachen. 3) Der koͤrperliche Zustand des Schlafens (seine Ausspannung, Ruhe, und Verschließung der sinnlichen Organen). Das Erste kann, wenn die Unregelmaͤßigkeit, zur Ungereimtheit wird, im Traum selbst wahrgenommen werden, woraus man im Traume selbst weis, daß man traͤumt, so daß man nicht selten daruͤber erwacht. Die beiden andern koͤnnen nicht im Traume selbst, sondern erst nach dem Aufwachen wahrgenommen werden. Wenn, nach dem Jesaias, der Hungrige traͤumt, daß er ißt, so weis er waͤhrend des Traums nicht, daß er traͤumt. Wenn er aber aufwacht und seinen

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/72>, abgerufen am 28.04.2024.