Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Dieser versprach es, gieng zum Oberrabbiner, und meldete ihm den B. J. als einen großen Gelehrten und frommen Mann, der durch besondre Zufälle in einen sehr elenden Zustand gerathen sey.

Der Oberrabbiner, der ein vortreflicher Mann, ein scharfsinniger Talmudist, und von einem sehr sanften Karakter war, wurde von dem Elende des B. J. gerührt, ließ ihn zu sich kommen, unterhielt sich mit ihm eine geraume Zeit, disputirte mit ihm über die wichtigsten Gegenstände aus dem Talmud, und fand ihn in allen Fächern der jüdischen Gelehrsamkeit sehr bewandert.

Darauf fragte er ihn nach seinem Vorhaben. B. J. erwiderte, er wünschte als Hofmeister in irgend einem Hause anzukommen, für jetzt aber wünschte er nichts mehr, als die heiligen Tage hier feiern zu können, und zum wenigsten diese kurze Zeit über seine Reisen zu unterbrechen.

Darauf erwiderte der Rabbiner, daß er, was dieses anbeträfe, unbesorgt seyn solle, indem sein Verlangen eine Kleinigkeit, und nicht mehr als billig sey. Er gab ihm darauf so viel Geld, als er bei sich hatte, invitirte ihn, daß er so lange, als er sich hier aufhalten würde, alle Sabbath bei ihm essen solle, und befahl seinem Knaben, daß er für B. J. ein anständiges Logis schaffen solle.

Dieser kam bald wieder, und führte den B. J. in seine Wohnung.



Dieser versprach es, gieng zum Oberrabbiner, und meldete ihm den B. J. als einen großen Gelehrten und frommen Mann, der durch besondre Zufaͤlle in einen sehr elenden Zustand gerathen sey.

Der Oberrabbiner, der ein vortreflicher Mann, ein scharfsinniger Talmudist, und von einem sehr sanften Karakter war, wurde von dem Elende des B. J. geruͤhrt, ließ ihn zu sich kommen, unterhielt sich mit ihm eine geraume Zeit, disputirte mit ihm uͤber die wichtigsten Gegenstaͤnde aus dem Talmud, und fand ihn in allen Faͤchern der juͤdischen Gelehrsamkeit sehr bewandert.

Darauf fragte er ihn nach seinem Vorhaben. B. J. erwiderte, er wuͤnschte als Hofmeister in irgend einem Hause anzukommen, fuͤr jetzt aber wuͤnschte er nichts mehr, als die heiligen Tage hier feiern zu koͤnnen, und zum wenigsten diese kurze Zeit uͤber seine Reisen zu unterbrechen.

Darauf erwiderte der Rabbiner, daß er, was dieses anbetraͤfe, unbesorgt seyn solle, indem sein Verlangen eine Kleinigkeit, und nicht mehr als billig sey. Er gab ihm darauf so viel Geld, als er bei sich hatte, invitirte ihn, daß er so lange, als er sich hier aufhalten wuͤrde, alle Sabbath bei ihm essen solle, und befahl seinem Knaben, daß er fuͤr B. J. ein anstaͤndiges Logis schaffen solle.

Dieser kam bald wieder, und fuͤhrte den B. J. in seine Wohnung.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0061" n="59"/><lb/>
            <p>Dieser versprach es, gieng zum Oberrabbiner, und meldete ihm den <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B.                                 J.</persName></hi> als einen großen Gelehrten und frommen Mann,                         der durch besondre Zufa&#x0364;lle in einen sehr elenden Zustand gerathen sey.</p>
            <p>Der Oberrabbiner, der ein vortreflicher Mann, ein scharfsinniger Talmudist,                         und von einem sehr sanften Karakter war, wurde von dem Elende des <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B.                                 J.</persName></hi> geru&#x0364;hrt, ließ ihn zu sich kommen, unterhielt                         sich mit ihm eine geraume Zeit, disputirte mit ihm u&#x0364;ber die wichtigsten                         Gegensta&#x0364;nde aus dem Talmud, und fand ihn in allen Fa&#x0364;chern der ju&#x0364;dischen                         Gelehrsamkeit sehr bewandert.</p>
            <p>Darauf fragte er ihn nach seinem Vorhaben. <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> erwiderte, er wu&#x0364;nschte als Hofmeister in irgend einem Hause anzukommen, fu&#x0364;r                         jetzt aber wu&#x0364;nschte er nichts mehr, als die heiligen Tage hier feiern zu                         ko&#x0364;nnen, und zum wenigsten diese kurze Zeit u&#x0364;ber seine Reisen zu                         unterbrechen.</p>
            <p>Darauf erwiderte der Rabbiner, daß er, was dieses anbetra&#x0364;fe, unbesorgt seyn                         solle, indem sein Verlangen eine Kleinigkeit, und nicht mehr als billig sey.                         Er gab ihm darauf so viel Geld, als er bei sich hatte, invitirte ihn, daß er                         so lange, als er sich hier aufhalten wu&#x0364;rde, alle Sabbath bei ihm essen                         solle, und befahl seinem Knaben, daß er fu&#x0364;r <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> ein                         ansta&#x0364;ndiges Logis schaffen solle.</p>
            <p>Dieser kam bald wieder, und fu&#x0364;hrte den <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> in seine                         Wohnung.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[59/0061] Dieser versprach es, gieng zum Oberrabbiner, und meldete ihm den B. J. als einen großen Gelehrten und frommen Mann, der durch besondre Zufaͤlle in einen sehr elenden Zustand gerathen sey. Der Oberrabbiner, der ein vortreflicher Mann, ein scharfsinniger Talmudist, und von einem sehr sanften Karakter war, wurde von dem Elende des B. J. geruͤhrt, ließ ihn zu sich kommen, unterhielt sich mit ihm eine geraume Zeit, disputirte mit ihm uͤber die wichtigsten Gegenstaͤnde aus dem Talmud, und fand ihn in allen Faͤchern der juͤdischen Gelehrsamkeit sehr bewandert. Darauf fragte er ihn nach seinem Vorhaben. B. J. erwiderte, er wuͤnschte als Hofmeister in irgend einem Hause anzukommen, fuͤr jetzt aber wuͤnschte er nichts mehr, als die heiligen Tage hier feiern zu koͤnnen, und zum wenigsten diese kurze Zeit uͤber seine Reisen zu unterbrechen. Darauf erwiderte der Rabbiner, daß er, was dieses anbetraͤfe, unbesorgt seyn solle, indem sein Verlangen eine Kleinigkeit, und nicht mehr als billig sey. Er gab ihm darauf so viel Geld, als er bei sich hatte, invitirte ihn, daß er so lange, als er sich hier aufhalten wuͤrde, alle Sabbath bei ihm essen solle, und befahl seinem Knaben, daß er fuͤr B. J. ein anstaͤndiges Logis schaffen solle. Dieser kam bald wieder, und fuͤhrte den B. J. in seine Wohnung.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/61
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 59. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/61>, abgerufen am 27.04.2024.