Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.
Ein armes, aber sehr hübsches Mädchen von ohngefähr dem Alter des B. J. wurde in dem Hause seiner Aeltern als Dienstmädchen angenommen. Das Mädchen gefiel dem B. J. ungemein. Es wurden bei ihm Begierden rege, die er bis jetzt nicht gekannt hatte. Er mußte aber, nach der strengen rabinischen Moral, sich in Acht nehmen, dieses Mädchen mit Aufmerksamkeit anzusehn, und noch mehr, sie zu sprechen, und konnte nur dann und wann verstohlne Blicke auf sie werfen. Es ereignete sich einmal, daß die Frauensleute aus dem Hause ins Bad giengen, welches nach dem Gebrauche dieses Landes ein paarmal die Woche über zu geschehen pflegt. B. J. den sein Jnstinkt, ohne es selbst zu wissen, von ohngefähr nach der Gegend wo das Bad war, hintrieb, erblickte auf einmal dieses hübsche Mädchen, wie es aus dem Schwitzbade heraus in den nahe vorbeifließenden Fluß hineinsprang. Er gerieth bei diesem Anblicke ganz außer sich; nachdem er sich erholt hatte, wollte er, der strengen
Ein armes, aber sehr huͤbsches Maͤdchen von ohngefaͤhr dem Alter des B. J. wurde in dem Hause seiner Aeltern als Dienstmaͤdchen angenommen. Das Maͤdchen gefiel dem B. J. ungemein. Es wurden bei ihm Begierden rege, die er bis jetzt nicht gekannt hatte. Er mußte aber, nach der strengen rabinischen Moral, sich in Acht nehmen, dieses Maͤdchen mit Aufmerksamkeit anzusehn, und noch mehr, sie zu sprechen, und konnte nur dann und wann verstohlne Blicke auf sie werfen. Es ereignete sich einmal, daß die Frauensleute aus dem Hause ins Bad giengen, welches nach dem Gebrauche dieses Landes ein paarmal die Woche uͤber zu geschehen pflegt. B. J. den sein Jnstinkt, ohne es selbst zu wissen, von ohngefaͤhr nach der Gegend wo das Bad war, hintrieb, erblickte auf einmal dieses huͤbsche Maͤdchen, wie es aus dem Schwitzbade heraus in den nahe vorbeifließenden Fluß hineinsprang. Er gerieth bei diesem Anblicke ganz außer sich; nachdem er sich erholt hatte, wollte er, der strengen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0033" n="31"/><lb/> seinen Begierden und Leidenschaften war er heftig und ungeduldig. Bis ungefaͤhr in sein eilftes Jahr spuͤrte er, da er einer sehr strengen Erziehung genoß, und von allem Umgange mit Frauenzimmern abgehalten wurde, keine sonderliche Zuneigung zu dem schoͤnen Geschlechte in sich. Eine Begebenheit aber brachte hierin eine große Veraͤnderung bei ihm hervor. </p> <p>Ein armes, aber sehr huͤbsches Maͤdchen von ohngefaͤhr dem Alter des <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> wurde in dem Hause seiner Aeltern als Dienstmaͤdchen angenommen. Das Maͤdchen gefiel dem <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> ungemein. Es wurden bei ihm Begierden rege, die er bis jetzt nicht gekannt hatte. Er mußte aber, nach der strengen rabinischen Moral, sich in Acht nehmen, dieses Maͤdchen mit Aufmerksamkeit anzusehn, und noch mehr, sie zu sprechen, und konnte nur dann und wann verstohlne Blicke auf sie werfen.</p> <p>Es ereignete sich einmal, daß die Frauensleute aus dem Hause ins Bad giengen, welches nach dem Gebrauche dieses Landes ein paarmal die Woche uͤber zu geschehen pflegt. <hi rendition="#b"><persName ref="#ref0003"><note type="editorial">Maimon, Salomon</note>B. J.</persName></hi> den sein Jnstinkt, ohne es selbst zu wissen, von ohngefaͤhr nach der Gegend wo das Bad war, hintrieb, erblickte auf einmal dieses huͤbsche Maͤdchen, wie es aus dem Schwitzbade heraus in den nahe vorbeifließenden Fluß hineinsprang.</p> <p>Er gerieth bei diesem Anblicke ganz außer sich; nachdem er sich erholt hatte, wollte er, der strengen<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [31/0033]
seinen Begierden und Leidenschaften war er heftig und ungeduldig. Bis ungefaͤhr in sein eilftes Jahr spuͤrte er, da er einer sehr strengen Erziehung genoß, und von allem Umgange mit Frauenzimmern abgehalten wurde, keine sonderliche Zuneigung zu dem schoͤnen Geschlechte in sich. Eine Begebenheit aber brachte hierin eine große Veraͤnderung bei ihm hervor.
Ein armes, aber sehr huͤbsches Maͤdchen von ohngefaͤhr dem Alter des B. J. wurde in dem Hause seiner Aeltern als Dienstmaͤdchen angenommen. Das Maͤdchen gefiel dem B. J. ungemein. Es wurden bei ihm Begierden rege, die er bis jetzt nicht gekannt hatte. Er mußte aber, nach der strengen rabinischen Moral, sich in Acht nehmen, dieses Maͤdchen mit Aufmerksamkeit anzusehn, und noch mehr, sie zu sprechen, und konnte nur dann und wann verstohlne Blicke auf sie werfen.
Es ereignete sich einmal, daß die Frauensleute aus dem Hause ins Bad giengen, welches nach dem Gebrauche dieses Landes ein paarmal die Woche uͤber zu geschehen pflegt. B. J. den sein Jnstinkt, ohne es selbst zu wissen, von ohngefaͤhr nach der Gegend wo das Bad war, hintrieb, erblickte auf einmal dieses huͤbsche Maͤdchen, wie es aus dem Schwitzbade heraus in den nahe vorbeifließenden Fluß hineinsprang.
Er gerieth bei diesem Anblicke ganz außer sich; nachdem er sich erholt hatte, wollte er, der strengen
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