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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792.

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nach diesen eine Seelenkrankheit, gleich wie eine Körperkrankheit nach den Neuern, durch den Mangel oder die Unordnung der Seelenverrichtungen erkannt wird. Beim Epikur aber eine Seelenkrankheit durch den Schmerz oder die Unbehaglichkeit und Unzufriedenheit mit sich selbst, sich zu erkennen giebt. Sobald als diese gehoben wird, mag übrigens die Seele ihre Thätigkeit auf eine vollständige Art äußern oder nicht, so ist sie, ihm zufolge, für völlig gesund zu halten. Die Stoischen Grundsätze sind bei ihm blos ein sichres Mittel diese Seelenruhe und Zufriedenheit zu erhalten, indem man nicht immer den äußern Mitteln dazu trauen darf.

Gesetzt aber ein Wollüstling besitze alle Mittel zur Befriedigung seiner Begierden, und genieße sie würklich während seines ganzen Lebens, so ist seine Seele nach Epikur bei ihrer völligen Gesundheit, indem er der Zufriedenheit als des Merkmaals der Gesundheit beständig genießt. Nach den Stoikern hingegen ist dieser Wollüstling bei aller seiner Zufriedenheit dennoch seelenkrank, indem seine Seele ihrer Selbstthätigkeit beraubt, ein Spiel der äußern Ursachen ist. Er gleicht denjenigen gefährlichen Kranken, die selbst die Empfindung der Krankheit verlohren haben. Die Stoiker hielten nicht nur einen Tollen, einen Rasenden und dergleichen für seelenkrank, sondern auch einen Geizigen, einen Ehrsüchtigen und dergleichen. Ja sie beschäftigten


nach diesen eine Seelenkrankheit, gleich wie eine Koͤrperkrankheit nach den Neuern, durch den Mangel oder die Unordnung der Seelenverrichtungen erkannt wird. Beim Epikur aber eine Seelenkrankheit durch den Schmerz oder die Unbehaglichkeit und Unzufriedenheit mit sich selbst, sich zu erkennen giebt. Sobald als diese gehoben wird, mag uͤbrigens die Seele ihre Thaͤtigkeit auf eine vollstaͤndige Art aͤußern oder nicht, so ist sie, ihm zufolge, fuͤr voͤllig gesund zu halten. Die Stoischen Grundsaͤtze sind bei ihm blos ein sichres Mittel diese Seelenruhe und Zufriedenheit zu erhalten, indem man nicht immer den aͤußern Mitteln dazu trauen darf.

Gesetzt aber ein Wolluͤstling besitze alle Mittel zur Befriedigung seiner Begierden, und genieße sie wuͤrklich waͤhrend seines ganzen Lebens, so ist seine Seele nach Epikur bei ihrer voͤlligen Gesundheit, indem er der Zufriedenheit als des Merkmaals der Gesundheit bestaͤndig genießt. Nach den Stoikern hingegen ist dieser Wolluͤstling bei aller seiner Zufriedenheit dennoch seelenkrank, indem seine Seele ihrer Selbstthaͤtigkeit beraubt, ein Spiel der aͤußern Ursachen ist. Er gleicht denjenigen gefaͤhrlichen Kranken, die selbst die Empfindung der Krankheit verlohren haben. Die Stoiker hielten nicht nur einen Tollen, einen Rasenden und dergleichen fuͤr seelenkrank, sondern auch einen Geizigen, einen Ehrsuͤchtigen und dergleichen. Ja sie beschaͤftigten

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[10/0012] nach diesen eine Seelenkrankheit, gleich wie eine Koͤrperkrankheit nach den Neuern, durch den Mangel oder die Unordnung der Seelenverrichtungen erkannt wird. Beim Epikur aber eine Seelenkrankheit durch den Schmerz oder die Unbehaglichkeit und Unzufriedenheit mit sich selbst, sich zu erkennen giebt. Sobald als diese gehoben wird, mag uͤbrigens die Seele ihre Thaͤtigkeit auf eine vollstaͤndige Art aͤußern oder nicht, so ist sie, ihm zufolge, fuͤr voͤllig gesund zu halten. Die Stoischen Grundsaͤtze sind bei ihm blos ein sichres Mittel diese Seelenruhe und Zufriedenheit zu erhalten, indem man nicht immer den aͤußern Mitteln dazu trauen darf. Gesetzt aber ein Wolluͤstling besitze alle Mittel zur Befriedigung seiner Begierden, und genieße sie wuͤrklich waͤhrend seines ganzen Lebens, so ist seine Seele nach Epikur bei ihrer voͤlligen Gesundheit, indem er der Zufriedenheit als des Merkmaals der Gesundheit bestaͤndig genießt. Nach den Stoikern hingegen ist dieser Wolluͤstling bei aller seiner Zufriedenheit dennoch seelenkrank, indem seine Seele ihrer Selbstthaͤtigkeit beraubt, ein Spiel der aͤußern Ursachen ist. Er gleicht denjenigen gefaͤhrlichen Kranken, die selbst die Empfindung der Krankheit verlohren haben. Die Stoiker hielten nicht nur einen Tollen, einen Rasenden und dergleichen fuͤr seelenkrank, sondern auch einen Geizigen, einen Ehrsuͤchtigen und dergleichen. Ja sie beschaͤftigten

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 1. Berlin, 1792, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0901_1792/12>, abgerufen am 22.11.2024.